Ein Fahrrad steht vor einem Schaufenster mit der Aufschrift "Suppenküche".

Paritätischer Gesamtverband Arme Menschen werden ärmer

Stand: 29.04.2025 19:30 Uhr

Die Lage von armen Menschen in Deutschland wird immer schlechter: Es gibt mehr Armutsbetroffene - und diese haben immer weniger Geld zur Verfügung. Verbände sehen die neue Bundesregierung in der Pflicht.

Arme Menschen können sich immer weniger leisten, weil sie in den vergangenen Jahren an Kaufkraft verloren haben. Der Paritätische Gesamtverband sieht in seinem nun vorgelegten jährlichen Armutsbericht den Grund dafür vor allem in der Inflation, die arme Menschen am härtesten treffe. Hinzu kommt, dass immer mehr Menschen unter die sogenannte Armutsgrenze fallen: Mittlerweile betrifft das jeden sechsten Menschen in Deutschland.

Im vergangenen Jahr habe das mittlere Einkommen von Menschen, die unter die Armutsgrenze fallen, preisbereinigt nur noch bei 921 Euro gelegen, schrieb der Verband. Im Jahr 2020 seien es noch 981 Euro gewesen, im Jahr 2023 sogar nur 883 Euro. Preisbereinigt bedeutet, dass der Einfluss der Inflation herausgerechnet wurde, sodass sich die tatsächliche Kaufkraft zu verschiedenen Zeitpunkten vergleichen lässt.

Armutsquote in Deutschland gestiegen

Nach Aussage des Paritätischen waren 2024 rund 13 Millionen Menschen in Deutschland armutsbetroffen, also rund 15,5 Prozent der Bevölkerung. Die Armutsquote ist damit im Vergleich zu Vorjahr um 1,1 Prozentpunkte gestiegen.

Besonders betroffen seien Alleinerziehende, junge Erwachsene und Rentnerinnen und Rentner - "wobei die Altersarmut stark weiblich geprägt ist", heißt es. Rund 30 Prozent der Armen besäßen keine deutsche Staatsangehörigkeit.

Wer gilt als arm?

Als arm werden Menschen eingestuft, die in einem Haushalt leben, der weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens aller Haushalte in Deutschland zur Verfügung hat. Im Jahr 2024 lag diese Grenze bei 1.381 Euro im Monat für einen allein lebenden Menschen. Zum Einkommen gehören dabei unter anderem Löhne, Wohngeld, Kindergeld und andere Sozialleistungen. Die vom Paritätischen Wohlfahrtsverband ausgewerteten Grunddaten stammen vom Statistischen Bundesamt.

Das mittlere Einkommen, auch Medianeinkommen genannt, meint dabei das Einkommen, das genau in der Mitte liegt, wenn alle Einkommen nach ihrer Höhe angeordnet werden. Es liegt deutlich unter dem Durchschnittseinkommen, das als arithmetisches Mittel aus allen verfügbaren Einkommen gebildet wird.

Zu wenig für gesellschaftliche Teilhabe

Wer unter der Armutsgrenze leben muss, habe ein zu geringes Einkommen, "um in angemessener Weise an der Gesellschaft teilhaben zu können", heißt es vom Paritätischen. Von den 13 Millionen Armutsbetroffenen leben 5,2 Millionen sogar "in erheblicher materieller Entbehrung". Das bedeute, sie könnten es sich etwa nicht leisten, ihre Wohnung zu heizen oder alte Kleidung zu ersetzen.  Zu diesem Kreis der besonders Armen zählt der Verband auch 1,1 Millionen Kinder und Jugendliche.

Eine Vollzeittätigkeit schützt dabei nicht vor Armut: Insgesamt 1,2 Millionen Vollzeiterwerbstätige fallen unter die Grenze. Nötig seien deshalb höhere Erwerbseinkommen. Der Bericht zeigt im Vergleich der Bundesländer große regionale Unterschiede: Während in Bayern nur etwa jeder Achte von Armut betroffen ist (11,8 Prozent), ist es in Sachsen-Anhalt mehr als jeder Fünfte (22,3 Prozent) und in Bremen sogar jeder Vierte (25,9 Prozent). 

Verbände fordern mehr Unterstützung durch die Politik

"Die Kaufkraftverluste der vergangenen Jahre verschärfen die ohnehin schon schwierige finanzielle Lage von Millionen Betroffenen", sagte Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, zum neuen Bericht.

Die neue Bundesregierung müsse die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung ganz oben auf die Agenda setzen. Neben der Verbesserung von Erwerbseinkommen bestehe insbesondere Handlungsbedarf bei der Bekämpfung von Wohn- und Familienarmut, der Stärkung der Rentenversicherung und dem Ausbau der Grundsicherung.

Auch der Sozialverband VdK sieht die Befunde des Armutsberichts als Auftrag an die neue Bundesregierung, Abhilfe zu schaffen. "Gerade von Armut betroffene Menschen leiden am stärksten unter den Folgen der letzten Krisen", erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Die neue Regierung endlich mit einer gerechteren Besteuerung von sehr großen Vermögen und hohen Erbschaften gegensteuern.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 29. April 2025 um 14:00 Uhr.