Ein Fotoreporter trägt einen Aufnäher mit der Aufschrift "Press" bei einer Demonstration in Hamburg.

Pressefreiheit in Deutschland Angriffe auf Journalisten mehr als verdoppelt

Stand: 08.04.2025 06:00 Uhr

Sie werden geschubst, bespuckt und getreten: Im vergangenen Jahr hat es in Deutschland nach Erhebungen der Organisation Reporter ohne Grenzen deutlich häufiger Angriffe auf Journalisten gegeben als im Vorjahr.

Im vergangenen Jahr hat die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF) in Deutschland 89 Angriffe auf Medienschaffende und Redaktionen gezählt. Das geht aus einem Bericht der Organisation zur Lage der Pressefreiheit hervor. Damit hat sich die Zahl im Vergleich zu 2023 mehr als verdoppelt, damals waren es noch 41 Angriffe gewesen.

Dem Bericht zufolge gab es im vergangenen Jahr 40 verifizierbare Fälle, in denen Journalisten geschlagen, getreten oder brutal geschubst wurden. In vier Fällen wurden Personen mit einem Gegenstand geschlagen und elf Mal angespuckt. 14 Angriffe gab es auf Wohngebäude oder Redaktionsräume. Darüber hinaus wurden Journalisten in die Genitalien getreten, mit Eiern oder Kaffeebechern beworfen oder mit Pfefferspray attackiert.

Hohe Dunkelziffer vermutet

Das Jahr 2024 war damit nach dem Rekordjahr 2022 das Jahr mit den zweitmeisten Angriffen, seit RSF die Zahlen 2015 erstmals veröffentlicht hatte. Die Organisation geht von einer hohen Dunkelziffer aus.

In die Statistik fließen nur solche Vorfälle ein, die sich eindeutig belegen lassen. Mehr als die Hälfte der Angriffe ereignete sich in Berlin (49), gefolgt von Bayern und Sachsen mit jeweils acht Vorfällen. 66 der 89 Attacken fanden im Rahmen von politischen Demonstrationen statt, davon 38 bei Protesten im Zusammenhang mit dem Krieg in Nahost.

Sechs Fälle von Polizeigewalt

Der "Bild"-Reporter Iman Sefati und der Fotojournalist Yalcin Askin, die häufig gemeinsam von propalästinensischen Demonstrationen in Berlin berichten, wurden 29 Mal von Teilnehmern angegriffen. Zahlreiche andere Redaktionen beklagten RSF zufolge ebenfalls eine pressefeindliche Stimmung bis hin zu Morddrohungen bei Veranstaltungen im Nahost-Kontext.

Laut Bericht gingen auch Museumsmitarbeiter oder Sicherheitskräfte Reporter körperlich an, wenn diese schwerpunktmäßig über die Auswirkungen des Krieges auf die palästinensische Zivilbevölkerung berichteten. Sechs Fälle von Polizeigewalt gegen Journalisten konnten von RSF verifiziert werden, darunter vier im Nahost-Kontext. 21 gewalttätige Angriffe wurden dem rechtsextremen Spektrum zugeschrieben.

Risiken für die Pressefreiheit

Neben den körperlichen Angriffen weist die Organisation in ihrem Bericht auf zahlreiche weitere Risiken für die Pressefreiheit in Deutschland hin. Seit der Corona-Pandemie beobachte man eine gesellschaftliche Entwicklung, in der viele Bürger Journalisten, die nicht ihrem eigenen ideologischen Spektrum entstammten, als Gegner ansähen.

Das betreffe wiederum vor allem das Thema Nahost. In 60 qualitativen Interviews mit Medienschaffenden aus verschiedenen Redaktionen berichteten laut RSF viele Journalisten von außergewöhnlichen Belastungen und Druck - vor allem solche, die sich kritisch mit der israelischen Kriegsführung befassen. Wer zu jüdischem Leben arbeite, sehe sich einem erhöhten Maß an Anfeindungen und Hetze im Netz ausgesetzt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 08. April 2025 um 07:00 Uhr.