Arzneimittel-Sparpaket beschlossen Ein Korsett für die Preisfantasien
Der Bundestag hat das Arzneimittel-Sparpaket beschlossen. Es soll die Ausgaben für Medikamente unter anderem dadurch begrenzen, dass Pharmafirmen die Preise für neue Arzneien nicht mehr so frei gestalten dürfen wie bisher. Was sich durch das Gesetz alles ändert, erklärt tagesschau.de.
Was ist das Ziel des Gesetzes?
Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) will die Regierung im Gesundheitswesen sparen und setzt dabei im Pharmasektor an. Ausschlaggebend für das Arznei-Sparpaket ist das Milliardendefizit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), für das die erhöhten Arzneimittelausgaben mitverantwortlich sind. Im vergangenen Jahr gab die GKV 32 Milliarden Euro für Medikamente aus, das sind je Versicherten 5,3 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Den Kernpunkt der anstehenden Strukturreformen bildet das neue Aushandeln der Preise für neue innovative Arzneimittel. Während deren Preise bislang in Deutschland von den Herstellern selbst festgelegt wurden, sollen neue Regelungen das jetzt beschränken.
Wo wird gespart?
Insgesamt sollen pro Jahr 2,4 Milliarden Euro bei den Ausgaben für Medikamente gespart werden. Während auf die GKV 2,2 Milliarden Euro entfallen, sollen bei der Privaten Krankenversicherung (PKV) 200 Millionen Euro eingespart werden. Im Mittelpunkt stehen bei den Einschnitten die sogenannten innovativen Arzneien, deren Medikamente neue Wirkstoffe haben. Durch erhöhte Zwangsrabatte sollen hier 1,2 Milliarden Euro gespart werden. Auch Arzneimittel aus Krankenhausambulanzen werden mit in die Erhöhung der gesetzlichen Herstellerrabatte einbezogen und sollen 200 Millionen Euro Ersparnis bringen. Mit in das Sparpaket eingebunden werden die Apotheken und Großhändler mit jeweils 200 Millionen Euro. Durch Änderungen der Rabatte für Impfstoffe und marktgerechtere Preise von Zytostatika, die zur Behandlung von Krebserkrankungen benötigt werden, sollen 400 Millionen Euro eingespart werden.
Was tragen Apotheken und Großhändler zum Arznei-Sparpaket bei?
Apotheken und Großhändler sollen je rund 200 Millionen Euro pro Jahr zur GKV-Sanierung beitragen. Der Zwangsrabatt, den die Apotheken an die Kassen zahlen, wird dazu bis 2013 von 1,75 Euro auf 2,05 Euro angehoben. Der Großhandel muss dauerhaft einen preisabhängigen Anteil von 3,15 Prozent sowie eine feste Packungsgebühr von 70 Cent abführen.
Wie werden die Arzneimittelpreise künftig festgelegt?
In Zukunft muss ein Hersteller zur Markteinführung eines Arzneimittels ein Dossier zu Kosten und Nutzen des Mittels vorlegen. Auf dieser Grundlage muss der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Ärzten und Krankenkassen innerhalb von drei Monaten den medizinischen Nutzen bewerten. Dazu zählen auch der Zusatznutzen des Arzneimittels im Verhältnis zu anderen Behandlungsmöglichkeiten sowie die Anzahl der Patienten, die davon profitieren könnten. Für diese erste Bewertung kann der G-BA auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) oder Dritte beauftragen. Hat die erste Überprüfung einen Zusatznutzen ergeben, muss das Pharmaunternehmen mit dem GKV-Spitzenverband innerhalb eines Jahres einen Preis aushandeln. Bis dahin darf der Hersteller den Preis für die neuen Medikamente wie bisher selbst festlegen.
Wer entscheidet bei Streitigkeiten über den Preis?
Wenn sich Unternehmen und de GKV-Spitzenverband nicht auf einen Preis einigen können, entscheidet eine Schiedsstelle, wie viel das Medikament ab dem 13. Monat nach der Markteinführung kosten darf. Bis zur Einigung mit dem GKV-Spitzenverband oder der Entscheidung der Schiedsstelle darf der Hersteller den Preis für die neuen Medikamente weiter selbst festlegen.
Was passiert mit Medikamenten, die keinen Zusatznutzen haben?
Sollte nach der ersten Überprüfung kein Zusatznutzen festgestellt werden, kann der Bundesausschuss von Ärzten und Kassen (G-BA) weitere Studien zur Zweckmäßigkeit des Arzneimittels von den Pharmaunternehmen einfordern. Der G-BA muss dann anhand der Studien den Pharmaunternehmen eine Unzweckmäßigkeit des Arzneimittels nachweisen. Wenn ihm dies gelingt, wird das Medikament von der Kostenerstattung durch die Krankenkassen ausgenommen. Kritiker befürchten jedoch, dass der Nachweis zur Unzweckmäßigkeit kaum zu erbringen sein wird.
Wenn der G-BA dem Pharmaunternehmen keine Unzweckmäßigkeit des Arzneimittels nachweisen kann, erstatten die Krankenkassen den Preis, den sie auch für vergleichbare Medikamente zahlen, die schon auf dem Markt sind. Nach einem Jahr kann ein Hersteller das Arzneimittel dann wieder neu bewerten lassen. Bisher galt die Regelung, dass der G-BA das Arzneimittel direkt von der Kostenerstattung durch die Kassen ausschließen konnte, wenn der Nutzen und die Qualität eines zugelassenen Arzneimittels zweifelhaft waren.
Wie berechnet sich der Preis für Medikamente, die neue Wirkstoffe haben?
Für Medikamente mit neuen Wirkstoffen soll bis Ende 2013 der Zwangsrabatt von sechs auf 16 Prozent erhöht werden. Damit sollen die gesetzlichen Kassen pro Jahr um 1,2 Milliarden Euro entlastet werden. Auch private Krankenversicherungen sollen von dieser Regelung profitieren, indem das Geld zur Vermeidung und Begrenzung von Prämienerhöhungen eingesetzt werden soll. Für Medikamente mit neuen Wirkstoffen, die bereits im Verkehr und auf dem Markt sind, kann der G-BA eine Überprüfung veranlassen, wenn diese für die Versorgung von großer Bedeutung sein sollten. Diese könnten dadurch günstiger werden. Die Nutzenbewertung gilt jedoch nicht für Medikamente mit Wirkstoffen, die bereits bekannt und nicht mehr neu sind.
Werden Medikamente für seltene Krankheiten auch bewertet?
Aus Medikamenten für seltene Krankheiten ziehen Firmen meist nur einen geringen wirtschaftlichen Nutzen. Insgesamt gibt die GKV für die sogenannten "Orphan Drugs" 800 Millionen Euro jährlich aus, das sind etwa zwei Prozent der Gesamtausgaben für Arzneimittel. Bisher hat der G-BA solche Medikamente auch auf die Wirtschaftlichkeit geprüft. Da jedoch nicht viele Menschen diese Arzneien benötigen, werden diese künftig im Normalfall von der Nutzenbewertung ausgeschlossen. Solange der Umsatz dieser Medikamente unterhalb von 50 Millionen Euro liegt, müssen die Pharmaunternehmen auch den Preis nicht aushandeln. Ab dieser Grenze soll dann aber künftig automatisch eine Nutzenbewertung fällig werden. Hiermit soll verhindert werden, dass Firmen eine Arznei anfänglich nur für ein spezielles Leiden deklarieren und dann später die Umsätze durch Zulassungen für weitere Indikationen steigern. Für die Pharmaindustrie wurde dieses Schlupfloch im Gesetzgebungsprozess verkleinert.
Zusammengestellt von Maxi Schmeißer für tagesschau.de