Deutsche Ratspräsidentschaft EU und China - rivalisierende Partner
Da unter Präsident Trump das Verhältnis zu den USA erkaltet, wird die Beziehung zu China für die EU immer wichtiger. Doch Peking ist auch Rivale, der Umgang mit der autoritären Führung ist für die EU heikel. Was kann Deutschland tun?
"Besser beneidet als bemitleidet" besagt ein chinesisches Sprichwort. Will die EU vom asiatischen Giganten China aber nicht bemitleidet, sondern ernst genommen werden, das weiß man in Berlin wie in Brüssel, ist eins unabdingbar: Statt mit 27 dünnen Stimmchen, muss Europa mit einer laut vernehmbaren Stimme sprechen.
"Die relativ große Uneinigkeit, die wir haben, ist darum Schwäche", warnt der CDU-Kanzlerkandidat Norbert Röttgen im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Und auch der China-Experte Eberhard Sandschneider von der FU Berlin kritisiert, Peking habe mit einer "Teile-und-Herrsche-Politik" gegenüber der EU derzeit noch leichtes Spiel:
Jeder hechelt da hinter seinem eigenen Vorteil hinterher. Das gilt für Italien, das gilt für Ungarn und ein Stück weit auch für Deutschland."
Die Chinesen "sind schon da"
China kontrolliert den griechischen Hafen in Piräus. Die deutsche Autoindustrie ist auf den Absatzmarkt in Asien dringend angewiesen - wegen der Corona-Pandemie noch mehr als zuvor. Und Ungarn baut mit chinesischer Hilfe eine Bahnstrecke zwischen Budapest und Belgrad.
"Zu sagen, die Chinesen kommen, ist wahrscheinlich falsch. Sie sind schon da", betont Sandschneider. Aus dessen Sicht müsste aber genau die Tatsache, dass China Europa immer mehr "auf die Pelle rückt", während die USA unter Trump in der umgekehrten Richtung unterwegs sind und sich von Europa abwenden, eigentlich zu einem Umdenken in der EU führen.
Unterschiedliche Wertesysteme
Stellt sich die Frage, wie genau dann Europa mit China umgehen und auch - Stichwort: sonore Stimme - reden soll. Wie deutlich es Menschenrechte einfordern und etwa die Unterdrückung der Demokratiebewegung in Hongkong verurteilen soll.
Ich plädiere nicht für Schärfe im Umgang mit China, sondern für Klarheit. Wir sollten offen mit China darüber reden, was uns trennt, nämlich das Wertesystem: Wir sind Demokratien, Rechtsstaaten."
So sagt es der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Doch von EU-Einigkeit kann auch hier keine Rede sein: Schweden forderte unlängst Sanktionen gegen China. Die meisten anderen halten von Strafaktionen wenig.
Wer China-Kenner Sandschneider fragt, was man bewirkt, wenn man mehr Schärfe in die europäische Stimme packt, kriegt eine klare Antwort:
Nichts. Wenn die Menschen in Hongkong ihren ganzen Mut zusammenkratzen und auf die Straße gehen, dann wird hier geredet und in Hongkong im Zweifelsfall gestorben. Wir haben nicht mehr anzubieten als warme Worte. Was wollen wir tun? Die Bundeswehr entsenden? Da fallen einem doch nur schlechte Witze ein.
China als "strategischer Partner"
Eins wollen jedenfalls die Bundesregierung und die EU vermeiden: Sich im Ringen um die globale Führungsrolle zwischen den USA und China auf die Seite Pekings ziehen zu lassen. Trotzdem hat man mit dem sogenannten "strategischen Partner" eine ganze Menge vor.
"Ich plädiere für einen offenen Dialog, bei dem wir mit China an so wichtigen Themen weiterarbeiten wie dem Abschluss eines Investitionsabkommens, Fortschritten im Klimaschutz und unserer gemeinsamen Rolle in Afrika", sagt Kanzlerin Merkel.
Was die Dinge so kompliziert macht: China ist mittlerweile alles auf einmal. Absatzmarkt und selbstbewusster Konkurrent. Unterdrücker von Meinungsfreiheit und Menschenrechten, aber unverzichtbar im Kampf gegen den Klimawandel. Ein rivalisierender Partner eben. Mit dem es weder Berlin noch Brüssel noch Budapest leicht haben wird. Es sei denn, sie einigen sich auf eine Linie.