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ARD-Vorwahlumfrage Hamburger SPD hat trotz Verlusten die besten Karten
Anders als im Bund hat die SPD in Hamburg gute Aussichten, auch künftig die Regierung zu führen. Die ARD-Vorwahlumfrage zur Bürgerschaftswahl zeigt: Eine knappe Mehrheit will Rot-Grün fortsetzen.
Sieben Jahre lang regierten Olaf Scholz und Peter Tschentscher Seite an Seite. Der eine (Scholz) als Erster Bürgermeister von Hamburg und der andere (Tschentscher) als dessen Finanzsenator. Zwischen 2011 und 2018 war das. Jetzt, sieben Jahre später, kämpfen die beiden Sozialdemokraten bei zwei Wahlen binnen einer Woche jeweils allein um ihre Wiederwahl - mit ganz unterschiedlichen Vorzeichen.
Während Scholz bei der Bundestagswahl an diesem Sonntag beinahe auf ein Wunder hoffen muss, um Kanzler zu bleiben, darf sich Tschentscher gute Hoffnungen machen, Erster Bürgermeister der Hansestadt zu bleiben.
Die von infratest dimap durchgeführte ARD-Vorwahlumfrage sieht die SPD zehn Tage vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg zwar deutlich schwächer als bei der Wahl vor fünf Jahren. Damals kamen die Sozialdemokraten auf 39,2 Prozent. Mit aktuell 32 Prozent hätten sie aber trotzdem einigen Vorsprung auf die Grünen (18 Prozent) sowie die CDU (17 Prozent). Letztere darf nach ihrem historischen Tief vor fünf Jahren mit 11,2 Prozent auf Zugewinne hoffen. Die Grünen müssen gegenüber 2020 (24,2 Prozent) Einbußen befürchten.
FDP, Volt und BSW wohl unter Fünf-Prozent-Hürde
AfD und Linkspartei kämen derzeit auf jeweils zehn Prozent. Beide würden sich im Vergleich zu 2020 verbessern: die Linkspartei (damals 9,1 Prozent) leicht, die AfD (damals 5,3 Prozent) deutlich.
Bei jeweils drei Prozent - und damit unterhalb der Mandatsschwelle - lägen aktuell die FDP (2020: 4,9 Prozent), Volt (2020: 1,3 Prozent) sowie das Bündnis Sahra Wagenknecht, das ein gutes Jahr nach seiner Gründung zum ersten Mal in Hamburg antritt. Alle anderen Parteien kämen zusammen auf vier Prozent.
Für diese repräsentative Umfrage hat das Meinungsforschungsinstitut infratest dimap von Montag bis Mittwoch 1.308 Wahlberechtigte in Hamburg befragt. Für die ARD ist es die letzte Umfrage vor der Wahl - traditionell zehn Tage vor dem Wahltag. Die Ergebnisse besitzen keinen Vorhersagecharakter, sondern bildet die politische Stimmung vor der Wahl ab. Da einige Wählerinnen und Wähler erfahrungsgemäß erst kurzfristig festlegen, an wen sie ihre Stimme vergeben, sind bis zum Wahltag also noch Bewegungen möglich.
Landespolitik bestimmt vorrangig Wahlentscheidung
Dass die SPD aktuell 32 Prozent in Aussicht hat, kann bei den Sozialdemokraten keine Begeisterungsstürme auslösen. Beinahe weckt es Erinnerungen an 2004, als die SPD mit 30,5 Prozent ihr bislang schwächstes Nachkriegs-Ergebnis im Stadtstaat verdauen musste.
Dass die Sozialdemokraten aber überhaupt auf einen Wahlsieg hoffen dürfen, obwohl ihnen der Wind aus Berlin eher ins Gesicht bläst, hat verschiedene Gründe. Einer davon: Hamburg ist traditionell eine der Hochburgen der Partei. Seit 1957 regiert im Senat fast durchgängig die SPD - unterbrochen nur durch eine Zeit zwischen 2001 und 2011, als die CDU um Ole von Beust an der Macht war.
Ein anderer Grund: Für sechs von zehn Hamburgerinnen und Hamburger spielt bei ihrer Wahlentscheidung die Landespolitik eine wichtigere Rolle als die Bundespolitik. Und mit dieser Landespolitik ist eine Mehrheit in Hamburg durchaus einverstanden. 59 Prozent der Befragten sind mit der Arbeit des rot-grünen Senats aktuell sehr zufrieden bzw. zufrieden. Zum Vergleich: Mit der Ampelregierung im Bund waren kurz vor deren Bruch Anfang November gerade einmal 14 Prozent zufrieden.
So tritt auch der aktuelle Regierungschef mit einem Amtsbonus an: Könnten die Hamburger ihren Ersten Bürgermeister zwischen den Spitzenkandidaten der drei stärksten Parteien direkt wählen, so würde sich fast jeder Zweite (49 Prozent) für Tschentscher entscheiden. Jeweils 16 Prozent wären für Katharina Fegebank, die Spitzenkandidatin der Grünen, und Dennis Thering, der Spitzenkandidat der CDU. Fegebank ist aktuell Zweite Bürgermeisterin sowie Senatorin für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke, Thering der CDU-Fraktionschef in der Hamburger Bürgerschaft.
Zuspruch für Tschentscher über Parteigrenzen hinweg
Für Tschentscher spricht sich mit 91 Prozent nicht nur eine überwältigende Mehrheit der SPD-Anhänger aus. Auch die Anhänger des grünen Koalitionspartners sind uneins: 48 Prozent gaben an, dass ihre eigene Kandidatin Fegebank künftig Erste Bürgermeisterin sein sollte. 41 Prozent finden, dass SPD-Mann Tschentscher im Amt bleiben sollte. CDU-Kandidat Thering genießt bei den eigenen Parteianhängern mit 58 Prozent zwar etwas mehr Unterstützung in der Direktwahlfrage. Aber auch gut jeder vierte CDU-Anhänger würde sich im direkten Vergleich für Tschentscher entscheiden.
Thering hat in den vergangenen fünf Jahren die CDU-Fraktion in der Bürgerschaft angeführt, konnte die Rolle als Oppositionsführer aber nur bedingt zur Profilbildung nutzen. Im HamburgTrend Anfang des Monats war er nur jedem zweiten Wahlberechtigten überhaupt bekannt.
Knappe Mehrheit für Fortsetzung von Rot-Grün
Bei einem Wahlausgang entsprechend der aktuellen Sonntagsfrage hätte Tschentschers SPD sowohl mit den Grünen als auch mit der CDU eine Mehrheit in der Bürgerschaft. Im direkten Vergleich würde sich mit 52 Prozent eine knappe Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger für eine Fortführung des rot-grünen Senats aussprechen. Vier von zehn (40 Prozent) bevorzugen ein Bündnis aus SPD und CDU.
Klarer ist das Bild bei den Anhängern der Sozialdemokraten: Mit 71 Prozent wären sieben von zehn SPD-Anhängern für Rot-Grün, gut jeder Vierte (27 Prozent) für Rot-Schwarz. Anhänger der Linkspartei sprechen sich mit großer Mehrheit (88 Prozent) für Rot-Grün aus, Anhänger der AfD zu drei Vierteln (76 Prozent) für Rot-Schwarz.
Mehrheiten mit Grün oder Schwarz unter eigener Führung - mögliche Machtoptionen, die für Tschentschers Amtsvorgänger Scholz im Bund aktuell in weiter Ferne liegen.
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon- und Online-Befragung
Erhebungszeitraum: 17. bis 19. Februar 2025
Fallzahl: 1.308 Befragte (768 Telefoninterviews und 540 Online-Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und Rückerinnerung Wahlverhalten
Sonntagsfrage mit separater Gewichtung
Schwankungsbreite: 2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent, 3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap
Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle einer Erhebung mit 1.000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.