Vor Corona-Kabinettssitzung "Brauchen jetzt unheimlich viele Masken"
Das Kontaktverbot wird weitgehend eingehalten, doch noch steigen die Corona-Infektionszahlen. Der Bundesregierung macht besonders die Beschaffung von Schutzmaterial Sorgen - ein Thema in der heutigen Krisensitzung des Kabinetts.
Woher bekommt Deutschland künftig medizinische Schutzkleidung? Mit diese Frage beschäftigt sich heute das Corona-Krisenkabinett der Bundesregierung. Vize-Kanzler Olaf Scholz sagte in der ARD-Sendung Anne Will, es werde unter anderem um eine stärkere Produktion von Schutzmasken im Inland gehen. "Wir brauchen jetzt unheimlich viele Masken." Hier müsse es um eine bessere Beschaffung im Ausland als auch eine stärkere Produktion in Deutschland gehen. "Die Zusagen, die wir jetzt machen müssen, sind einfach und klar und teuer, aber richtig", sagte er.
Zahlreiche deutsche Unternehmen hätten bereits Interesse bekundet, Beatmungsgeräte oder Atemschutzmasken herzustellen, sagte der SPD-Politiker. So stellt zum Beispiel der Osnabrücker Autozulieferer und Textilverarbeitungsexperte Zender seine Produktion um. Das Unternehmen will künftig zertifizierte Schutzmasken für Kliniken und Arztpraxen herstellen - bis zu 100.000 Stück pro Tag.
Die Ministerpräsidenten Bayerns und Mecklenburg-Vorpommerns, Markus Söder (CSU) und Manuela Schwesig (SPD), sprachen sich ebenfalls für Produktionsstandorte von medizinischer Schutzausrüstung in Deutschland aus. Das fordert auch die Präsidentin der niedersächsischen Ärztekammer, Martina Wenker, in der ARD. "Die Hausarzt- und Kinderarztpraxen sind am Limit, die haben für einen Tag Schutzausrüstung. Das geht nicht. Wir wissen, dass der Markt sehr eng ist. Aber allmählich verstehen wir Mitarbeiter im Gesundheitswesen nicht mehr, warum wir das nicht endlich bei uns herstellen können", sagt Wenker.
Ein weiteres Thema im Krisenkabinett dürften Kredithilfen für mittelständische Firmen sein. Im Gespräch ist, Kredite für Mittelständler für eine begrenzte Zeit mit einer 100-prozentigen Staatshaftung abzusichern. Die Höchstgrenze könnte bei 500.000 Euro pro Firma liegen. Der Staat könnte dafür Garantien in einem Volumen von bis zu 300 Milliarden Euro übernehmen.
FDP-Chef Christian Lindner forderte als Konsequenz aus der Corona-Krise eine Senkung von Steuern und Sozialabgaben. "Wir müssen ermöglichen, dass die Menschen wieder Privatvorsorge aufbauen können, die sie jetzt teils auflösen mussten", sagte Lindner im Bericht aus Berlin. Und die Unternehmen müssten auch wieder Reserven bilden können. "Deshalb halte ich es für richtig, dass wir die Steuern und Abgaben senken."
Kontaktsperren weitgehend eingehalten
Unterdessen scheinen die Regeln der Bundesregierung, die die Verbreitung des Coronavirus eindämmen sollen, weitgehend eingehalten zu werden. Die Polizeien zeigten sich größtenteils zufrieden, weil sich die Menschen am ersten richtigen Frühlingswochenende mit Sonne und Wärme an die Auflagen hielten. In Deutschland gelten zurzeit umfassende Kontaktsperren für die Bürger. Zudem sind unter anderem Restaurants, Theater, Kinos sowie Spielplätze und viele Geschäfte geschlossen. Auch das Krisenkabinett dürfte das Verhalten der Bürger am Wochenende bilanzieren.
Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil betonte im "Tagesspiegel" allerdings, dass ein echter Stresstest für die geltenden Kontaktbeschränkungen das Osterfest werde. Normalerweise wünsche er sich für Ostern gutes Wetter - "in diesem Jahr könnte ich auch mit Regen gut leben". Weil warnte vor vorzeitigen Debatten über eine Beendigung der Restriktionen. Die Frage stehe erst nach Ostern an. Eine Lockerung werde erst dann möglich sein, "wenn wir tatsächlich erkennen können, dass der bisherige Kurs Früchte getragen hat".
Wird sich das Verhalten dauerhaft ändern?
Der SPD-Politiker erwartet zudem, dass sich als Folge der Corona-Pandemie das Sozialverhalten der Menschen in Deutschland dauerhaft verändern wird. So werde "der gute alte Handschlag" künftig deutlich weniger praktiziert werden, sagte Weil.
Zudem würden künftig Schutzmasken viel stärker zum öffentlichen Bild gehören, sagte Weil voraus. In dieser Hinsicht nähere sich Deutschland vielleicht den Verhältnissen in Asien an, wo manche Länder anscheinend besser auf die Pandemie vorbereitet gewesen seien.
Debatte um Grenzkontrollen
Da sich das Virus weiter verbreitet, dürfte sich das Krisenkabinett auch mit einer Ausweitung der Kontrollen an den Grenzen und einer möglichen Quarantänepflicht für alle ankommenden Flugreisenden befassen. Innenminister Horst Seehofer hatte vorgeschlagen, die verschärften Grenzkontrollen auf die Übergänge zu weiteren Nachbarländern auszudehnen. Zudem soll es in der Runde um Seehofers Vorschlag gehen, eine Quarantäne-Verpflichtung für alle Einreisenden über den Luftweg einzuführen.
Seit dem 16. März darf an den Grenzen zu Österreich, Frankreich, der Schweiz, Luxemburg und Dänemark nur noch einreisen, wer einen triftigen Grund hat, etwa Berufspendler. Das Innenministerium will nun auch für die Grenzen nach Polen, Tschechien, Belgien und die Niederlande sowie an den Flughäfen die strengen Einreisebedingungen einführen.
Die FDP wies Überlegungen für schärfere Grenzkontrollen zurück. Diese seien der falsche Weg", sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae, der Nachrichtenagentur dpa. "Das Virus macht an den Grenzen nicht halt, behindert aber den wichtigen Warenverkehr und sorgt für kilometerlange Staus an den Grenzen." "Besser wäre es hingegen, etwa Corona-Schnelltests an den Flughäfen durchzuführen. Bei positiven Testergebnissen können dann gezielt die entsprechenden Maßnahmen eingeleitet werden", sagte Thomae.
Mit Informationen von Cecilia Reible, ARD-Hauptstadtstudio