Bundestagswahl 2025
Mögliche Mehrheiten mit der AfD Grummeln in der CDU - aber bloß nicht öffentlich
Die Union nimmt bei ihren Migrationsplänen auch Mehrheiten mit der AfD in Kauf. In Teilen der CDU ist von einem Ritt auf der Rasierklinge die Rede. Bei der CSU findet der Migrationskurs großen Anklang.
"Hier ist ein Blatt Papier. Schreiben Sie bitte mal auf!" CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt meint seinen Pressesprecher. Der solle die Sitzverteilung im aktuellen Bundestag auflisten. Es ist Dienstagvormittag, der letzte sogenannte weiß-blaue Stammtisch dieser Legislatur. Journalisten können Alexander Dobrindt hier über die anstehenden Themen der Woche ausfragen.
Dieser Vormittag ist monothematisch. Es geht ausschließlich um Migration. Ein Thema, das die Union seit dem Attentat in Aschaffenburg mit zwei Toten bewusst vorantreibt. Sie will dauerhafte Grenzkontrollen, Zurückweisungen an der Grenze, also ein faktisches Einreiseverbot für alle Menschen, die keine gültigen Einreisedokumente besitzen. Das geht Grünen und SPD zu weit.
Und da kommt Dobrindt ins Rechnen. Eine Journalistin spricht ihn auf die mögliche Mehrheit durch die AfD an. Gebe es gar nicht, entgegnet Dobrindt, es würden doch fünf Stimmen fehlen. Am Ende muss er aber einsehen: Mit FDP, BSW und AfD würde sie stehen, die Mehrheit im Bundestag für die Vorschläge der Union. Dobrindt winkt ab, es sei ihm egal, wie AfD und BSW abstimmen. Die Zeit der parteitaktischen Spielchen sei vorbei. Aschaffenburg sei eine Art Zeitenwende.
Rückhalt aus der CSU
Tatsächlich klingt auch der CDU-Vorsitzende seit vergangener Woche anders. Die Tat habe ihn mitgenommen, heißt es aus seinem Umfeld. Vergangenen Donnerstag, spät abends gegen zehn Uhr, hatte Friedrich Merz das CDU-Präsidium zusammengerufen, der engste Führungskreis der Partei also.
In der Schalte wurden die Forderungen der Union noch einmal debattiert, da gab es weitgehend Einigkeit, und dann fiel noch ein entscheidender Satz: Merz sei es egal, mit wem er die Punkte durchbringe. Kaum gesagt, wurde es an die Öffentlichkeit durchgestochen. SPD und Grüne sprechen von Tabubruch und dem Ende der Brandmauer.
Und in der Union? In der CSU findet die härtere Gangart des Unions-Kanzlerkandidaten großen Anklang. In Bayern hatte man sich bereits auf eine Migrationswahlkampf eingestellt. Die Ansprechhaltung war schärfer. Nun zieht Merz nach, was auch bedeutet, dass eine Koalition mit den Grünen wahrscheinlich in noch weitere Ferne rückt. Auch etwas, dass CSU-Chef Markus Söder gern in Kauf nehmen dürfte.
Nur kein öffentlicher Streit
Doch auch wenn es bisher keiner öffentlich formuliert, in der CDU gibt es ein Grummeln. Bereits am Wochenende hatten sich mehrere Mitglieder der Unionsfraktion zusammengeschaltet, um über die Pläne ihres Vorsitzenden zu sprechen. Insbesondere das "Wie", also dass die AfD der Union zu einer Mehrheit verhelfen könnte, sorgt für Unbehagen. Doch von diesen CDU-Bundestagsabgeordneten will sich derzeit niemand offen gegen Merz stellen.
Denn in der CDU steht seit einigen Monaten ein Credo über allem: nur kein öffentlicher Streit. Dem ist alles unterzuordnen. Jetzt, in der heißen Phase des Wahlkampfes gilt noch einmal mehr: Der Kandidat hat immer recht.
Günthers Ansage
Und dennoch dringt immer wieder etwas aus internen Debatten nach außen, dass die CDU-Spitze gern vertraulich gehalten hätte: Wie am Montag nach der Bundesvorstandssitzung. Die ersten 30 Minuten "passiert nichts". Fast schon langweilig, findet einer, der dabei ist. Dann meldet sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther zu Wort. Sollte ein Gesetz, das mit Stimmen der AfD durchgebracht wurde, in den Bundestag kommen, wird er dem im Bundesrat nicht zustimmen.
Eine Ansage, die sitzt. Denn gerade das will die Union mit ihren Vorschlägen doch zeigen: dass sie handelt. Wenn es nun am Ende auch an den CDU-geführten Ländern im Bundesrat scheitert, wer soll dann der Partei noch glauben, dass sie tatsächlich ernst macht mit der Begrenzung von Migration?
Das Dilemma der CDU
Denn das ist das eigentliche Dilemma der CDU: Ihr hängt 2015 nach, das Jahr, in dem die damalige Kanzlerin Angela Merkel die Grenzen für Flüchtlinge offen hielt. Nun glaubt die Parteispitze offenbar, alles tun zu müssen, um die Glaubwürdigkeit der Partei zurückzugewinnen.
Dafür nimmt Friedrich Merz auch in Kauf, mit Stimmen der AfD seine Forderungen durchzubringen. Es sei ein Ritt auf der Rasierklinge, sagen einige in der CDU. Sie sagen aber auch: Merz habe sich für diesen Weg entschieden, weitestgehend allein, nun gebe es auch keinen Weg mehr zurück.