Bundestagswahl Fake News über angebliche Manipulationen
In Berlin hat es schwere Pannen bei der Bundestagswahl gegeben, die für viel Kritik sorgen. Gleichzeitig kursieren irreführende Behauptungen, die einen angeblichen Wahlbetrug belegen sollen.
"Unfassbar", twittert "Klartext81672869" - im Wahlkreis Würzburg habe es keine einzige Stimme für die AfD gegeben. Den Tweet versieht der Nutzer mit dem Schlagwort "Wahlbetrug".
Tatsächlich hat es in einigen Berliner Wahllokalen schwere Pannen gegeben - doch im Wahlkreis Würzburg gibt es eine simple Erklärung, warum die AfD bei den Zweitstimmen zwar 6,6 Prozent holte - bei den Erststimmen hingegen bei 0,0 Prozent landete: Es war gar nicht möglich, hier eine Erststimme für die AfD abzugeben. Grund: Wegen eines Formfehlers durfte der AfD-Direktkandidat nicht antreten. In den Unterlagen, die die Partei eingereicht hatte, fehlten Originalunterschriften, die auch nicht nachgereicht wurden. Ein Versäumnis also, keine Manipulation.
Siegel von früherer Wahl
Der Tweet ist nur ein Beispiel dafür, wie kontinuierlich ein Grundrauschen des Zweifelns den Ablauf der Bundestagswahl infrage stellen soll. Ein typisches Mittel, um solche Zweifel zu füttern, sind irreführende Bilder. So verbreitete sich auf Telegram ein Foto einer Wahlurne mit einem gebrochenen Siegel. Dies wurde als ein Beweis für eine Manipulation gewertet.
Allerdings waren die Siegel von einer früheren Wahl, stellte "Correctiv" dazu fest. Die Bundeswahlordnung schreibt für Wahlurnen zudem gar nicht vor, dass sie mit Siegeln versehen werden müssen.
Immer wieder Spekulationen über Briefwahl
Unmittelbar vor der Wahl hatte eine anonyme Fake-News-Seite, deren Domain in Russland registriert ist, behauptet, es sei ein systematischer Wahlbetrug nachgewiesen worden. Diesen Beitrag teilte unter anderem ein AfD-Landtagsabgeordneter aus Thüringen auf Facebook und schrieb dazu: "Die Wahlen in Deutschland werden seit Jahrzehnten gefälscht."
Hintergrund des Beitrags sind Spekulationen, dass es bei Briefwahlen umfangreiche Manipulationen gebe. Belege dafür fehlen allerdings.
Themen Wahl und Corona miteinander verknüpft
Bereits im Vorfeld der Wahl wurden Falschbehauptungen zur Wahl mit dem Thema Corona verknüpft. So hieß es in Messenger-Nachrichten, angeblich dürfe nur wählen, wer geimpft oder genesen sei. Stimmt nicht, stellte Wahlleiter Sascha Gehm im faktenfinder-Podcast der tagesschau klar. Die Wahl finde wie gewohnt statt - "vielleicht mit größeren Abständen und ein bisschen mehr Lüften". Auch die Bundesregierung betonte: "Wählen im Wahllokal ist ohne Corona-Impfung oder -Test möglich."
Tatsächlich liegen Berichte vor, wonach die Polizei in Berlin sogar Zwang gegenüber Wahlhelferinnen und -helfern angedroht habe, weil sie Menschen ohne Masken nicht in das überfüllte Wahllokal lassen wollten. Der Bundeswahlleiter hatte allerdings betont, niemand dürfe ohne Maske oder ärztliches Attest in die Wahllokale.
In Nordrhein-Westfalen hatte es in mehreren Städte extra Vorbereitungen gegeben, um auch Maskenverweigerer wählen zu lassen. So sollten laut WDR unter anderem in Köln mobile Wahlurnen außerhalb der Wahllokale aufgestellt werden.
Behauptungen tauchen seit Jahren auf
Einzelne Beispiele von Pannen stellen zwar den korrekten Ablauf der jeweiligen Stimmabgabe infrage, sind aber kein Beweis für eine Manipulation. Ohnehin bräuchte es bei einer Bundestagswahl Tausende Mitwisser, um das Ergebnis zu verfälschen, sagte Wahlleiter Gehm im faktenfinder-Podcast.
Die Publizistin Karolin Schwarz hatte bereits rund um die Bundestagswahl 2017 organisierte Troll-Attacken aufgedeckt - und auch das Thema angeblicher Wahlbetrug sei damals schon Thema gewesen, betonte sie im faktenfinder-Podcast. Dieses Narrativ sei also nicht erst durch Donald Trump nach Deutschland gekommen.
Von der Lüge zum Sturm auf das Kapitol
Allerdings hatte Trump nach seiner Niederlage die Lüge, die Wahl sei ihm gestohlen worden, immer wieder weltweit verbreitet. Aufgepeitsche Trump-Anhänger stürmten sogar das Kapitol.
Mehrere Klagen gegen die Ergebnisse wurden aber abgewiesen, da Belege für einen Betrug fehlten. Monatelang versuchte zudem ein Privatunternehmen, Trumps Vorwürfe in Arizona zu belegen. Die mit der Prüfung betraute Firma Cyber Ninjas des Donald-Trump-Unterstützers Doug Logan musste vergangene Woche einräumen, dass die Nachzählung per Hand keine bedeutenden Unterschiede zum amtlichen Resultat im Bezirk Maricopa County ergeben habe. Wahlsieger Joe Biden habe sogar 360 Stimmen mehr erhalten, als im offiziellen Wahlergebnis ausgewiesen wurden.