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Geistiger Diebstahl Was ist überhaupt ein Plagiat?
So manch ein Politiker hat bereits nach einer Plagiatsaffäre seinen Doktorgrad eingebüßt. Aber was ist eigentlich ein Plagiat? Und wie sieht es bei Populärliteratur aus - wie im Fall Baerbock?
In dieser Woche ist mit den Vorwürfen gegen die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock wieder ein Begriff in aller Munde - "Plagiat". Zu hören ist er dabei oft in Verbindung mit "Urheberrechtsverletzung", gekontert wird er mit "Wiedergabe von frei zugänglichen Fakten". Aber was ist überhaupt ein Plagiat, was eine Urheberrechtsverletzung und muss man bei Fakten zitieren?
Ein Plagiat ist laut Duden, die "unrechtmäßige Aneignung von Gedanken, Ideen oder Ähnlichem eines anderen auf künstlerischem oder wissenschaftlichem Gebiet und ihre Veröffentlichung." Im Allgemeinen Spachgebrauch bezieht sich ein Plagiat vor allem auf wissenschaftliche Arbeiten. In den medienwirksamen Plagiatsskandalen der vergangenen Jahre ging es daher um Dissertationen von Politikerinnen und Politikern - etwa Karl-Theodor zu Guttenberg, Annette Schavan oder Franziska Giffey, die infolge der Plagiatsvorwürfe ihre durch die Arbeiten erlangten Doktorgrade verloren.
Wie Karsten Gulden, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, gegenüber dem ARD-faktenfinder erläutert, spricht man vom Plagiat dann, wenn die Übernahme von Textpassagen bewusst passiere. "Das ist immer dann anzunehmen, wenn der Text so nah am Original ist, dass es denklogisch unmöglich ist, dass dies dem Autor oder der Autorin nicht bewusst war."
Nicht immer eine Urheberrechtsverletzung
Der Deutsche Hochschulverband hat sich im Juli 2002 in einer Resolution auf Grundsätze guten wissenschaftlichen Arbeitens verständigt. Darin heißt es, ein Plagiat liege vor, wenn "Texte Dritter ganz oder teilweise, wörtlich oder nahezu wörtlich übernommen und als eigene wissenschaftliche Leistung ausgegeben werden. Ein solches Vorgehen widerspricht nicht nur guter wissenschaftlicher Praxis, es ist auch eine Form des geistigen Diebstahls und damit eine Verletzung des Urheberrechts."
Ein Verstoß gegen die wissenschaftlichen Grundsätze kann also mit einer Urheberrechtsverletzung einher gehen, muss es aber nicht. "Hier gelten unterschiedliche Maßstäbe: Auch bei wissenschaftlichen Arbeiten muss für einen Urheberrechtsverstoß die sogenannte Werkqualität gegeben sein, das Werk muss also besonders kreativ oder originell sein", erklärt Rechtsanwalt Gulden. "Besonderheiten sind dann eben die Zitat- und Nutzungsfreiheit. Die wissenschaftlichen Regelungen sind dahingehend strenger, sodass auch Texte, die nach urheberrechtlichen Maßstäben keine Werksqualität haben, dennoch gekennzeichnet werden müssen."
Mit einem Ermittlungsverfahren zu Urheberrechtsverletzungen sah sich etwa der ehemalige Bundesminister zu Guttenberg konfrontiert, welches letztlich aber eingestellt wurde.
Sehr kurze Textpassagen
Aktuell weist der österreichische Medienwissenschaftler Stefan Weber auf einige Textpassagen in Baerbocks Buch "Jetzt. Wie wir unser Land erneuern" hin, die Formulierungen in anderen Quellen ähneln würden. Bei der Publikation handelt es sich nicht um einen akademischen Text, für den strenge Kriterien des wissenschaftlichen Arbeitens gelten, sondern um populärwissenschaftliche Literatur. Dennoch können natürlich auch außerhalb wissenschaftlicher Texte Urheberrechtsverletzungen stattfinden.
Der Rechtsanwalt Christian Schertz, den die Grünen in dem Fall eingeschaltet haben, schreibt in einer Stellungnahme: "Ich kann nicht im Ansatz eine Urheberrechtsverletzung erkennen, da es sich bei den wenigen in Bezug genommenen Passagen um nichts anderes handelt, als um die Wiedergabe allgemein bekannter Fakten sowie politischer Ansichten."
Tatsächlich sind Informationen als solche - etwa, welche Länder bei der Osterweiterung 2004 in die EU aufgenommen wurden - urheberrechtlich frei. "Wichtig ist aber, wie die Fakten dargestellt werden", erläutert Gulden. "Sind weitere Formulierungen hinzugetreten oder die Fakten auf besonders kreative Weise dargestellt, so kann man die Art der Darstellung nicht einfach übernehmen." Der Text könnte dann geschützt sein, weil er besonders kreativ gestaltet wurde.
Bei den beanstandeten Passagen in Baerbocks Buch handelt es sich um sehr kurze Textausschnitte. Das erhöhe laut Gulden nochmal die Anforderungen daran, ob diese überhaupt schützenswert sind oder nicht. Ob aber Urheberrechtsverletzungen vorliegen, müssten im Zweifel Gerichte entscheiden - allerdings nur dann, wenn die Urheber selbst ihre Ansprüche überhaupt geltend machen.