Europawahl 2024
Spitzenkandidatin der SPD Katarina Barley - im zweiten Anlauf mehr Erfolg?
Zum zweiten Mal tritt Katarina Barley als SPD-Spitzenkandidatin an. 2019 musste die Partei deutliche Verluste hinnehmen. In diesem Jahr setzt Barley noch stärker auf den Kampf gegen Rechtspopulismus - aber nicht auf Lautstärke.
Im Europawahlkampf spielen TikTok und Co. eine immer wichtigere Rolle. Je radikaler die Stimmen, desto mehr springen Algorithmen und Echokammern darauf an. Während AfD-Mann Maximilian Krah im Internet schildert, was angeblich echte Männer ausmacht, wirbt SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley lieber dafür, auf eine bestimmte Webseite der EU zu gehen. Eine Seite, die den Nutzerinnen und Nutzern aufzeigt, wie sich die EU positiv auf ihr Leben auswirkt.
Follower generiert sie damit zwar weit weniger als Krah, aber Barley glaubt, das müsse kein Nachteil sein: "Die stärksten Stimmen sind nicht immer die lautesten", hält sie dagegen.
Es sind nicht immer die schrillen, sondern es sind die beharrlichen, es sind die bestimmten, es sind die verlässlichen.
Für besseren Schutz der Demokratie
Als bestimmt und verlässlich gilt sie auch innerhalb ihrer Partei. Sie wirbt damit, dass ihre Wählerinnen und Wähler mit ihr schon seit Jahrzehnten eine Kämpferin für Demokratie und Rechtsstaat hätten, die keine Angst vor der Auseinandersetzung habe.
In Brüssel war das seit ihrer Ankunft im Jahr 2019 vor allem die Auseinandersetzung mit Ungarn und Polen, die damals den Abbau von unabhängigen Gerichten und Medienfreiheit immer weiter voran trieben. Dem schien die EU zunächst hilflos gegenüberzustehen, weil sich die Länder selbst über EU-Vertragsverletzungsverfahren und über Urteile europäischer Gericht hinwegsetzten.
Das EU-Parlament setze aber einen Rechtsstaatsmechanismus durch, mit dem nun bei Missbrauch auch EU-Gelder zurückgehalten werden können. Barley freut sich, dass es dieses Instrument gibt, auch wenn sie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorwirft, es viel zu spät gegen Ungarn eingesetzt zu haben.
Die 55-Jährige will der EU-Kommission in der kommenden Legislaturperiode mehr Druck machen. Sie sympathisiert auch mit der Idee, den Mechanismus auszubauen und damit nicht nur den Missbrauch von EU-Geldern zu verhindern, sondern auch den Abbau der Medienfreiheit zu sanktionieren. "Diese Samthandschuhe, die sind wirklich nicht mehr angebracht", sagt die SPD-Politikerin.
Juristin und Politikerin in einer Person
Barley hat ihre juristische Biografie mit der politischen verbunden. Sie war Anwältin und Richterin und trat 1994 in die SPD ein. Es folgten Stationen in der rheinland-pfälzischen Kommunal- und Landespolitik, 2013 dann der Einzug in den Bundestag.
2015 wurde sie SPD-Generalsekretärin, übernahm das Amt von der glücklosen Yasmin Fahimi und hielt dem stark eingebundenen Parteichef Sigmar Gabriel den Rücken frei, der damals auch noch "Superminister" für Wirtschaft und Energie war.
2017 wurde Barley Bundesfamilienministerin, machte durch Forderungen nach einer Frauenquote in Unternehmensvorständen von sich reden, später übernahm sie auch geschäftsführend die Bereiche Arbeit und Soziales.
Gegenspielerin zu Rechtspopulisten
Ihre Zeit als Bundesjustizministerin im Anschluss fiel mitten in die aufgeheizte Debatte um härtere Regeln in der Asyl- und Flüchtlingspolitik. Sie wurde praktisch durch ihr Amt zur Gegenspielerin von Bundesinnenminister Horst Seehofer von der CSU.
Auf europäischer Ebene versucht Barley, sich als konsequente Gegenspielerin zu Politikern am rechten Rand in Stellung zu bringen und grenzt sich damit auch von Kommissionspräsidentin von der Leyen ab.
Diese kritisierte sie zuletzt dafür, dass sie eine Zusammenarbeit mit der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) nicht mehr ausdrücklich ausschloss. In der EKR sind unter anderem die Delegation der postfaschistischen Fratelli d’Italia von Italiens Premierministerin Giorgia Meloni und die polnische, rechtskonservative PiS-Partei untergekommen.
Läuft es dieses Mal besser?
Barley tritt in Europa für die deutschen Sozialdemokraten schon zum zweiten Mal als Spitzenkandidatin an. Bei der Wahl Anfang Juni steht sie unter dem Druck, nun einen Sieg für die Sozialdemokraten einzufahren, denn seit 2014 schrumpft die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament.
Bei der vergangenen Wahl 2019, als die Partei Barley das erste Mal ins Rennen schickte, sackte die SPD um mehr als elf Prozentpunkte ab.
Der Begriff "Spitzenkandidat" kann verwirrend sein, denn er bedeutet im Kontext der Europawahlen zweierlei:
Einerseits steht er für die Listenersten der deutschen Parteien, die bei der Europawahl antreten. Entsprechend dieser Listen werden die Spitzenkandidaten bei ausreichender Stimmzahl als erste für ihre Partei ins EU-Parlament gewählt.
Andererseits steht der mittlerweile europaweit verwendete Begriff für jene Person, die von den europäischen Parteizusammenschlüssen im Europaparlament als Kandidat oder Kandidatin für den Chefposten der "EU-Regierung", den Präsidentenposten der Kommission, nominiert wurde.
Manche Europapolitikerinnen sind beides: Spitzenkandidatin ihrer deutschen Partei und für die Kommissionspräsidentschaft.