Analyse eines PCR-Tests im Labor
FAQ

Neue Corona-Variante Was weiß man über Omikron?

Stand: 28.11.2021 11:42 Uhr

Die bisher vor allem in Südafrika verbreitete Corona-Variante Omikron könnte noch ansteckender sein als die Delta-Variante. Was unterscheidet sie von den bisherigen Varianten und wie gefährlich ist sie? Die wichtigsten Antworten.

Von Mit Informationen von Veronika Simon, SWR

Wo ist die Variante bisher aufgetaucht?

Das erste Mal nachgewiesen wurde die Variante B.1.1.529 - die von der Weltgesundheitsorganisation die Bezeichnung "Omikron" erhielt - vor Kurzem in Botswana. Seitdem scheint sie sich vor allem in Südafrika verbreitet zu haben, besonders viele Fälle wurden in der Provinz Gauteng nachgewiesen. Weitere Fälle wurden in Hongkong und Israel nachgewiesen.

Auch in Europa gibt es mittlerweile eine Reihe bestätigter Fälle - darunter auch zwei in Bayern. Es handele sich um zwei Personen, die am Mittwoch über den Flughafen München eingereist seien und sich seit Donnerstag nach einem positiven PCR-Test in häuslicher Isolation befänden, so der bayerische Gesundheitsministerium.

In Belgien wurde die Omikron-Variante nach Angaben der Behörden bei einem Reisenden festgestellt, der zuvor in Ägypten gewesen war. Großbritannien bestätigte zwei Omikron-Infektionen. In den englischen Städten Nottingham und Brentwood sei jeweils ein Fall festgestellt worden, teilte der britische Gesundheitsminister Sajid Javid mit. Beide Fälle sollen miteinander in Verbindung stehen und auf Reisen in den Süden Afrikas zurückzuführen sein. Auch in Italien gibt es einen Fall.

Viele Länder, darunter auch Deutschland, haben jetzt die Einreise aus Südafrika eingeschränkt, um die Verbreitung der Virusvariante einzudämmen.

Carsten Watzl, Deutsche Gesellschaft für Immunologie, zur neuen Corona-Mutante Omikron

tagesthemen, tagesthemen, 27.11.2021 23:30 Uhr

Wieso ist die Sorge so groß?

Die Wissenschaftlerin Susan Hopkins vom Imperial College in London bezeichnet die neue Variante als "die besorgniserregendste, die wir je gesehen haben." Der Grund: In den vergangenen Wochen waren die Infektionszahlen in Südafrika auf einem relativ niedrigen Niveau, doch vor allem in der Provinz Gauteng stiegen die Fallzahlen in kurzer Zeit sehr stark an. Durch Sequenzierungen wurde klar: Fast alle Proben aus dieser Region stammten von einer neuen Variante, B.1.1.529 genannt, die nun Omikron heißt.

Hartmut Hengel, Leiter der Virologie am Uniklinikum Freiburg, nimmt diese Virusvariante sehr ernst, warnt jedoch vor Alarmismus: "Offenbar hat sich diese Virusvariante in Südafrika schneller verbreitet als die Delta-Variante. Aber es gibt noch keine wissenschaftliche Publikation zu der Ausbreitung, noch sind diese Einschätzungen sehr vorläufig."

Wie in Europa war auch in Südafrika die Delta-Variante vorherrschend. Sie gilt als deutlich ansteckender als alle vorherigen Varianten des Coronavirus.

Richard Neher, Leiter der Forschungsgruppe "Evolution von Viren und Bakterien" an der Universität Basel, erklärt, es sei durchaus vorstellbar, dass die neue Omikron-Variante sehr übertragbar sei. "Die Variante scheint sich in Südafrika gegen Delta durchzusetzen. Allerdings sind in Südafrika die Fallzahlen derzeit recht niedrig, was die Interpretation erschwert. Unter welchen Bedingungen sich diese Variante schneller überträgt als Delta, ist im Moment nicht klar. Die nächsten Tage werden hier hoffentlich mehr Antworten liefern." Die Variante sei unerwartet gekommen, die Kombination an Mutationen in ihrem Genom sind laut dem Forscher "bemerkenswert".

Wie unterscheidet sich die Omikron-Variante von den anderen?

Mit Sorge schauen Fachleute vor allem auf die genetischen Veränderungen des Virus. Denn die neue Omikron-Variante unterscheidet sich deutlich von den bisherigen: Es wurden allein mehr als 30 Mutationen am Spike-Protein auf der Oberfläche des Virus ausgemacht. Das Spike-Protein spielt eine wichtige Rolle, damit das Virus in die menschlichen Zellen eindringen und sie so infizieren kann. Mutationen am Spike-Protein machten bereits die Delta-Variante ansteckender. HInzu kommen laut Robert Koch-Institut viele Mutationen, deren Bedeutung noch unklar ist.

Ein weiteres Problem: Durch die aktuell zugelassenen Impfstoffe wird das Immunsystem darauf trainiert, das Spike-Protein zu erkennen. Wenn sich dieses Protein jedoch stark verändert, könnte das die Wirksamkeit der Impfungen reduzieren.

Wie gefährlich ist Omikron?

Das könne man zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sagen, meint Carsten Watzl von der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Dieses Virus habe weitaus mehr Mutationen, aber was es in dieser Kombination mache, dafür benötige man noch mehr Daten.

Ob irgendwann ein Ende der Mutationen in Sicht ist? Dazu sagte Watzl in den tagesthemen, dass das Virus sich nicht beliebig verändern könne. Irgendwann habe sich das Spike-Protein so verändert, dass das Maximale erreicht sei. Ob das jetzt schon der Fall sei, wisse man noch nicht.

Noch ist es zu früh, um sichere Aussagen über die neue Variante zu treffen, erklärt auch der Virologe Hengel: "Das ist sicher ein sehr auffälliges Virus. Aber insgesamt ist das wissenschaftliche Wissen um diese Variante noch sehr gering." Noch können Fachleute nicht sicher sagen, ob die Variante wirklich ansteckender ist als zum Beispiel die Delta-Variante. Dafür ist die Datenlage noch zu dünn, auch wenn einiges darauf hindeutet.

Auch der Berliner Virologe Christian Drosten sieht noch viele offene Fragen. So sei unklar, ob die Variante tatsächlich ansteckender ist oder ob ein anderer Faktor Grund für die momentan beobachtete Ausbreitung ist. "Für eine veränderte Krankheitsschwere gibt es derzeit keine Hinweise", so Drosten.

Die Genom-Veränderungen bei dem Erreger wiesen darauf hin, dass Omikron sich der Immunabwehr entziehen könnte. "Veränderungen im Genom sind aber allein nicht ausreichend, um von einer besorgniserregenden Situation zu sprechen", erklärte Drosten. Zusätzlich müsse klar sein, dass das Virus sich schneller verbreite oder andere veränderte Eigenschaften habe, beispielsweise einen schwereren Krankheitsverlauf. Die Bewertung der Variante sei noch nicht abgeschlossen.

"Es ist noch unklar, inwieweit die Coronavirus-Variante klinisch gefährlicher ist", Jürgen May, Infektionsepidemiologe

tagesschau24 12:00 Uhr

Bei Forschern in Hongkong löst Besorgnis aus, dass die beiden dort infizierten Personen eine sehr hohe Viruslast aufweisen, was wiederum eine Übertragung des Erregers erleichtert. In Hongkong hat ein positiv auf die Omikron-Variante Getesteter in einem Quarantäne-Hotel eine Person im gegenüberliegenden Zimmer angesteckt, weil er bei der Essensannahme an seiner Hoteltür möglicherweise keinen ausreichenden Mundschutz getragen hat.

Die bisher mit Omikron infizierten Menschen in Südafrika sind nach Angaben der dortigen Mediziner-Vereinigung (SAMA) bisher nicht schwer erkrankt. Die Vorsitzende des südafrikanischen Ärzteverbands, Angélique Coetzee, sagte der BBC, dass die bisher in ihrem Land festgestellten Fälle nicht schwerwiegend seien. Die Symptome der neuen Variante seien zwar ungewöhnlich, aber mild. Allerdings seien die Untersuchungen zu dieser Variante noch in einem sehr frühen Stadium. In dem Land seien nur rund 24 Prozent der Menschen vollständig geimpft.

"Die Patienten klagen meist über einen schmerzenden Körper und Müdigkeit, extreme Müdigkeit, und wir sehen es bei der jüngeren Generation, nicht bei den älteren Menschen", sagte sie. Es handele sich nicht um Patienten, die direkt in ein Krankenhaus eingeliefert würden, sagte Coetzee. Dem "Telegraph" sagte sie, man müsse sich aber Sorgen machen, dass die neue Variante ältere Menschen, die zusätzlich an Diabetes oder Herzkrankheiten litten, viel härter treffen könnte.

Was ist mit dem Impfschutz?

Der Immunologe Watzl sagt dazu, dass man einige der Mutationen bei Omikron schon aus anderen Varianten kenne, die seien den Impfstoffen etwas entgangen. Das bedeute, dass der Schutz vor einer Infektion gegen Omikron vielleicht etwas abgeschwächt sein könnte. Der Schutz vor einer schweren Erkrankung sei aber wahrscheinlich immer noch sehr hoch.

Richard Neher von der Universität Basel geht davon aus, dass auch gegen die Omikron-Variante ein Impfschutz bestehen wird, da die Impfstoffe gegen alle bisherigen Varianten effizient sind. "Gerade die T-Zell-Antwort sollte gegenüber den Veränderungen robust sein. Allerdings ist es durchaus vorstellbar, dass es vermehrt zu Durchbruchsinfektionen kommt, so dass eine dritte Dosis umso wichtiger wird."

Der Charité-Immunologe Leif Erik Sander zeigte sich ebenfalls zuversichtlich, dass die bisherigen Vakzine auch gegen Omikron wirken. Zwar könne man dies noch nicht abschließend sagen, weil dies noch erforscht werden müsse, sagt er bei einer Veranstaltung des Bundesgesundheitsministeriums. Aber er sei optimistisch, dass man bei dieser Variante "nicht bei Null" anfangen müsse.

Die Münchner Virologin Ulrike Protzer sagte, möglich sei, dass Antikörper die neu entdeckte Variante nicht mehr so effizient neutralisieren könnten. Frisch nach einer Impfung gebe es aber viele Antikörper - das reiche dann aus, um auch Varianten "wegzuneutralisieren". Und wenn die Impfung eine Weile her sei, könnten Auffrischungsimpfungen das Immunsystem "hochpushen". Ob man später eine weitere Impfung brauche oder einen angepassten Impfstoff, könne man jetzt noch nicht sagen.

Auch Virologe Hengel sagt, wichtig sei, bei der Impfkampagne jetzt nicht nachzulassen. "Man muss das Virus ernst nehmen. Aber man muss auch sagen: Wir wissen noch sehr wenig. Und nicht alle Virusvarianten, die von der WHO als 'besorgniserregend' eingestuft worden sind, haben uns in Deutschland schwer zu schaffen gemacht".

Die Impfstoffhersteller BioNTech und Moderna kündigten bereits an, die neue Variante im Labor zu überprüfen. Spätestens in zwei Wochen sei mit Erkenntnissen zu rechnen, teilte BioNTech mit. Dann werde sich zeigen, ob eine Anpassung des Impfstoffs erforderlich sei, sollte sich diese Variante international verbreiten.

Auch Andrew Pollard, der Mitentwickler des AstraZeneca-Impfstoffs, zeigte sich zuversichtlich, dass die Impfstoffe zeitnah auf die neue Variante hin angepasst werden könnten - und dass die bestehenden Vakzine weiterhin wirkten. "Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass es in einer geimpften Bevölkerung zu einem Neustart einer Pandemie kommt, wie wir ihn letztes Jahr (mit der Delta-Variante) erlebt haben", sagte Pollard dem Sender BBC. Aber falls erforderlich, seien "die Verfahren zur Entwicklung eines neuen Impfstoffs zunehmend gut geölt, so dass man bei Bedarf sehr schnell handeln könnte".

Warum heißt die Variante Omikron?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist für die Benennung zuständig. Dabei achtet sie nach eigener Auskunft darauf, Missverständnisse und Stigmatisierungen zu vermeiden. Seit einiger Zeit werden neue Varianten deshalb anhand des griechischen Alphabets benannt.

Vor Omikron wären nun aber noch die Buchstaben Ny und Xi an der Reihe gewesen. Ny, das auf Englisch Nu heißt, klinge zu sehr nach "new" (deutsch: "neu") und wäre daher missverständlich gewesen, hieß es dazu von der WHO. "Xi wurde nicht verwendet, weil es ein verbreiteter Nachname ist", erklärte die WHO.

Virus-Bezeichnungen sollten keine ethnischen oder regionalen Gruppen verletzen, argumentierte die UN-Organisation. Den Namen Xi gibt es zwar in China und in Ländern mit Han-chinesischer Bevölkerung, häufig kommt er dort jedoch nicht vor. Es gibt aber einen sehr gewichtigen Namensträger: Den chinesischen Staatschef Xi Jinping.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 26. November 2021 um 12:30 Uhr.