Nach Amoklauf an Schule in Texas Die Suche nach den Schuldigen
Einen Monat nach dem Massaker in einer texanischen Schule belasten sich Verantwortliche auf kommunaler und bundesstaatlicher Ebene gegenseitig. Unklar ist, warum die Polizei nicht früher eingriff - und wer versagt hat.
Die Nerven liegen blank in Uvalde. Mehr als vier Wochen nach dem Massaker herrscht immer noch große Unklarheit. "In meiner ganzen Karriere als Politiker habe ich noch nie erlebt, dass Fakten sich um 180 Grad von einer Woche zur anderen umkehren", klagt der republikanische Senatsabgeordnete Paul Bettencourt. Und er fordert: "Die Öffentlichkeit und die Bürger von Texas verdienen die Fakten."
Ein Heer von Ermittlern staatlicher Stellen versucht, Licht in die Ereignisse zu bringen. Doch die Verantwortlichen von Uvalde würden im Dunkeln gelassen, moniert der sichtlich verärgerte Bürgermeister Don McLaughlin. "Es pisst mich an, dass ich keine Antworten kriege und keine geben kann."
Nicht nur der Bürgermeister schäumt. Viele Bürger wollen Antworten. Es gebe zahlreiche Aufnahmen von Kameras, sagt der demokratische Abgeordnete Roland Gutierrez. Neben den lokalen Polizisten seien 91 Beamte der bundesstaatlichen Sicherheitsabteilung im Einsatz gewesen. "Sie wollen uns Schnipsel von den Körperkameras der lokalen Polizei geben, aber ihre eigenen Aufnahmen behalten sie für sich."
"Belege für klägliches Versagen"
19 tote Grundschüler und zwei tote Lehrerinnen. Wie viele Leben hätten gerettet werden können, wenn anders gehandelt worden wäre? Der Direktor der Abteilung für Öffentliche Sicherheit im Bundesstaat Texas (DPS), Steven McCraw, erhebt schwere Vorwürfe. "Es gibt zwingende Belege dafür, dass die Antwort der Sicherheitskräfte auf den Angriff auf die Grundschule ein klägliches Versagen war."
Während die Kinder auf Rettung warteten, so McCraw, habe der verantwortliche Einsatzleiter vor Ort auf Gewehre, Funkgeräte, Schutzschilde und ein Spezialteam gewartet. "Das einzige, was einen Korridor voll entschlossener Polizisten davon abgehalten hat, Raum 111 und 112 zu betreten, war der Einsatzleiter. Er hat entschieden, das Leben der Polizisten über das Leben der Kinder zu stellen."
Polizeichef vom Dienst suspendiert
Der für den Schulbezirk verantwortliche Polizeichef, Pete Arredondo, wurde gestern vom Dienst suspendiert. Gegen ihn richten sich McCraws Vorwürfe. Gegenüber der Zeitung "Texas Tribune" erklärte Arredondo, er habe sich selbst nicht als den zuständigen Einsatzleiter vor Ort gesehen.
Bürgermeister McLaughlin weist die Anschuldigungen gegen die örtliche Polizei zurück und geht seinerseits in die Offensive. DPS-Chef McCraw, so zitiert ihn die "Texas Tribune", verbreite Lügen und streue falsche Informationen, um vom Versagen der bundesstaatlichen Sicherheitskräfte abzulenken.
Aufklärung und Konsequenzen gefordert
Zu Trauer und Entsetzen in Uvalde kommt immer mehr Zorn. Die Menschen fordern Aufklärung und Konsequenzen. Berlinda Arreola hat eine Enkeltochter bei dem Massaker verloren. Ihre Wut richtet sich gegen Pete Arredondo. "Er hat versagt. Wir, unsere Kinder, die Lehrer und alle Kinder hier verdienen etwas Besseres. Bitte, bitte, wir flehen Sie an: Entfernen Sie diesen Mann aus unserem Leben."
Die Gemüter werden sich nach Arredondos Suspendierung kaum beruhigen. Zu viele Fragen warten einen Monat nach dem Massaker noch auf klärende Antworten.