
Rüstungskontrolle Neustart für New START - und weiter?
Heute tritt die Verlängerung des New-START-Vertrags zur Reduktion von Nuklearwaffen zwischen den USA und Russland in Kraft. Wie steht es um andere wichtige Abkommen zur Rüstungskontrolle? Ein Überblick.
New START (Vertrag zur Verringerung strategischer Waffen)
Vertragspartner: USA, Russland
Status: verlängert bis 5. Februar 2026
New START ist das Folgeabkommen von START, das Ende 2009 auslief, und START II, das nie in Kraft trat. Im April 2010 unterzeichneten der damalige US-Präsident Barack Obama und der damalige russische Präsident Dmitri Medwedjew den zunächst für zehn Jahre gültigen Vertrag, der am 5. Februar 2011 in Kraft trat. US-Präsident Joe Biden und Kremlchef Wladimir Putin verlängerten ihn im Januar um fünf Jahre.
New START schreibt beiden Vertragspartnern vor, die Zahl ihrer nuklearen Sprengköpfe auf maximal 1550 und die Zahl nuklearer Trägersysteme auf 800 zu reduzieren - von letzteren dürfen maximal 700 im Einsatz sein. Kontrolliert werden soll die Einhaltung per Satelliten- und Fernüberwachung sowie durch 18 Vor-Ort-Inspektionen pro Jahr.
INF-Vertrag (Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme)
Vertragspartner: USA, Russland
Status: ausgelaufen
US-Präsident Ronald Reagan und Michail Gorbatschow, Generalsekretär der UdSSR, unterzeichneten den INF-Vertrag 1987, in Kraft trat er am 1. Juni 1988 - auf unbeschränkte Dauer. Vereinbart wurde darin die Vernichtung aller landgestützten Nuklearraketen und -abschusssysteme kurzer und mittlerer Reichweite, d.h. zwischen 500 und 5500 Kilometer Reichweite. See- und luftgestützte Raketen sowie Marschflugkörper waren davon ausgenommen.
Im Mai 2001 galt er nach wechselseitigen Inspektionen als vollständig umgesetzt; beide Vertragspartner vereinbarten im Anschluss fortgesetzte Kontrollen. Bald nach der Jahrtausendwende erklärte Russland jedoch, der Vertrag werde durch die USA verletzt und entspreche nicht mehr seinen Interessen. Streit gab es auch um die Frage, ob die US-Flugkörperstartanlage MK-41 sowie die russische 9M729-Rakete den Vertrag unterlaufen. US-Präsident Donald Trump kündigte 2019 das Abkommen - daraufhin gab auch Russland seinen Austritt bekannt. Seit dem 2. August 2019 ist der INF-Vertrag Geschichte.
Atomwaffensperrvertrag/NVV (Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen)
Vertragspartner: ursprünglich USA, UdSSR, Großbritannien; heute 191 Staaten
Status: in Kraft seit 5. März 1970
Der Atomwaffensperrvertrag wurde 1968 von den damaligen Atommächten USA, Frankreich, China, Großbritannien und der UdSSR initiiert, die sich darin zu Verhandlungen über einen Vertrag zur vollständigen Abrüstung verpflichten. Die seitdem hinzugekommenen Vertragsstaaten verzichten durch ihren Beitritt auf den Erwerb von Atomwaffen. Das Recht auf ein ziviles Atomprogramm spricht der Vertrag ausdrücklich allen Mitgliedsstaaten zu.
Vier Staaten sind nicht Mitglied des Atomwaffensperrvertrags geworden: Die Atommächte Indien, Israel und Pakistan sowie der Südsudan. Nordkorea trat im Januar 2003 aus dem Vertrag aus. An der Friedlichkeit des Atomprogramms im Mitgliedsstaat Iran, das offiziell ein ziviles Forschungsprogramm ist, gibt es Zweifel - nicht erst, seitdem Teheran nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen wieder begann, verstärkt Uran anzureichern.
Atomwaffen-Verbotsvertrag (AVV)
Vertragspartner: 52 Staaten
Status: in Kraft seit 22. Januar 2021
Der AVV umfasst für Mitgliedsstaaten ein vollständiges Verbot von Atomwaffen: Sie sagen zu, Nuklearwaffen weder zu entwickeln und zu produzieren noch zu lagern, zu transportieren - oder überhaupt mit ihrem Einsatz zu drohen.
Inzwischen haben ihn 52 Staaten ratifiziert, unterzeichnet haben 84 Staaten; weitere Beitritte sind möglich. Jedoch hat sich keine der Atommächte an den Verhandlungen beteiligt - auch die NATO-Bündnispartner der USA haben ihn allesamt nicht unterschrieben. Der Iran und sein Erzrivale Saudi-Arabien saßen am Verhandlungstisch, traten aber letztlich dem Vertrag nicht bei. Die Wirkung, die er zur Eindämmung der nuklearen Aufrüstung entfaltet, dürfte gering bleiben.
Chemiewaffenkonvention/CWK
Vertragspartner: 193 Staaten
Status: in Kraft seit 29. April 1997
In der UN-Chemiewaffenkonvention haben sich Mitgliedsstaaten verpflichtet, sämtliche Chemiewaffen in ihrem Besitz unter internationaler Aufsicht zu vernichten. Als Chemiewaffen bezeichnet der Vertrag jegliche Munition und Gerätschaften, die durch ihre chemische Wirkung vorübergehende Handlungsunfähigkeit oder dauerhafte Schäden hervorrufen können. Stoffe wie Chlorin, die vielfältig verwendet werden, aber in hoher Konzentration giftig sind, dürfen ebenfalls nicht als Waffe eingesetzt werden. Bis auf Ägypten, Nordkorea und den Südsudan haben alle Staaten der Erde den Vertrag unterzeichnet. Über die Einhaltung wacht die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW).
Einem OVCW-Bericht zufolge sind seit Inkrafttreten des Vertrags mehr als 98 Prozent der weltweiten Chemiewaffenvorräte vernichtet worden. Dennoch gibt es immer wieder Kontroversen um ihren Einsatz: 2018 gab es Berichte über einen Chlorgas-Angriff der syrischen Stadt Duma, die die OVCW in einem abschließenden Untersuchungsbericht als "sehr wahrscheinlich" beurteilte. Ende November 2019 wurden die Nervenkampfstoffe der Nowitschok-Gruppe nach dem Attentat auf den russischen Agenten Sergej Skripal und seine Tochter auf die Verbotsliste aufgenommen - Russland streitet jedoch ab, die Stoffe überhaupt zu besitzen. Im August 2020 wurde der Kremlkritiker Alexej Nawalny in Russland Ziel eines Nowitschok-Giftanschlags.
CCW (Konvention über bestimmte konventionelle Waffen)
Vertragspartner: ursprünglich 50 Staaten, heute 125 Staaten
Status: in Kraft seit 2. Dezember 1983
Die UN-Konvention "über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können" ist ein Rahmenabkommen aus mehreren Protokollen - Mitgliedsstaaten müssen mindestens zwei davon unterzeichnet haben. Die Konvention verbietet unter anderem Glasminen, Laserwaffen und bestimmte Arten von Sprengfallen und Landminen. Sie schreibt Kriegsparteien außerdem die Beseitigung explosiver Munitionsrückstände vor.
Verhandlungen über ein Protokoll zum Verbot von Streubomben gingen später im Übereinkommen über Streumunition auf, das seit dem 1. August 2010 gilt. Zum dieser Zeit wurden Gespräche über ein mögliches Verbot autonomer Waffensysteme, sogenannter Killerroboter, aufgenommen. Einen Kontrollmechanismus für die Einhaltung der CCW gibt es nicht - somit fehlen auch klare Sanktionsmöglichkeiten, falls ein Staat die Konvention verletzt.
KSE-Vertrag (Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa)
Vertragspartner: ursprünglich NATO und Warschauer Pakt, heute 30 Staaten
Status: in Kraft seit 9. November 1992, faktisch gescheitert
Der Vertrag zwischen den 30 damaligen Mitgliedsstaaten der NATO und des Warschauer Pakts legt Obergrenzen für die Anzahl schwerer Waffensysteme fest, die zwischen der Atlantikküste und dem Ural stationiert werden dürfen. Konkret geht es um die Abrüstung von Kampfpanzern und gepanzerten Kampffahrzeugen, schwerer Artillerie, Kampfflugzeugen- und hubschraubern. Zur Kontrolle wurde ein Informationspflicht- und Inspektionssystem vereinbart.
Am 19. November 1999 wurde eine adaptierte Version des Vertrags, genannt A-KSE, unterzeichnet, die der veränderten Lage nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Rechnung tragen sollte. Russland, Belarus, die Ukraine und Kasachstan ratifizierten diese Version - die NATO-Staaten hingegen nicht, da Russland anders als gefordert keinen Zeitplan für seinen Abzug aus Georgien und Moldawien-Transnistrien vorgelegt hatte. Vom Dezember 2007 an setzte Russland die Umsetzung des KSE-Vertrags und A-KSE aus, im März 2015 zog sich das Land auch aus der Gemeinsamen Beratungsgruppe zurück, was de facto einem Austritt gleichkommt. Auch wenn die übrigen Vertragsstaaten weiter am Vertrag festhalten, ist er zur leeren Hülle geworden.
Open-Sky-Vertrag (Vertrag über den Offenen Himmel)
Vertragspartner: ursprünglich 27 Staaten aus NATO und Warschauer Pakt, heute 34 Staaten
Status: in Kraft seit 1. Januar 2002 - droht zu scheitern
Im Open-Sky-Vertrag sichern sich die Vertragspartner gegenseitig regelmäßige Überflüge über ihre Territorien zu, auf denen Beobachter Aufnahmen machen und Lagebilder über den Stand der Rüstung entwerfen können. Die Flüge erfolgen entlang festgelegter Routen und in Teams aus beobachtendem und beobachtetem Staat.
Der 1992 von 26 Staaten in Europa, Nordamerika und der früheren Sowjetunion unterzeichnete Vertrag trat knapp zehn Jahre später in Kraft, später umfasste er durch weitere Beitritte 35 Staaten. Allerdings traten die USA im November 2020 aus - als Reaktion hat auch Russland seinen Ausstieg eingeleitet. In der Folge dürften die Territorien der am stärksten ausgerüsteten Vertragspartner nicht mehr überflogen werden, wodurch das Abkommen einen Großteil seiner Wirkkraft eingebüßt hat.
Wiener Dokument (Verhandlungen über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen)
Vertragspartner: alle 57 OSZE-Staaten
Status: verbindlich, jüngste Version vom 30. November 2011
Die erste Version des Wiener Dokuments wurde 1990 unterzeichnet und gilt für alle 57 Staaten der OSZE. Ziel des Übereinkommens sind vertrauensbildende Maßnahmen zwischen den Staaten durch Melde- und Kontrollmechanismen, die Transparenz über den Stand der jeweiligen Ausrüstung schaffen sollen.
In dem seitdem mehrfach überarbeiteten Dokument vereinbart wurde der jährliche Austausch von Militärdaten - etwa über Stationierung, Personalstärke und Waffentypen -, gegenseitige Beobachterbesuche, die gegenseitige Benachrichtigung über große Manöver und Indienststellung neuer Waffensysteme sowie ein jährliches Treffen. Seit 2014 Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektierte und in der Ostukraine Krieg ausbrach, gab es keine Überarbeitung des Dokuments mehr - zudem streiten die Unterzeichnerstaaten darüber, ob sie einander die tatsächliche Stärke ihrer Militärmanöver anzeigen. OSZE-Generalsekretärin Helga Schmidt kündigte nach ihrem Amtsantritt im Dezember 2020 Bestrebungen an, das Wiener Dokument durch Verhandlungen aller Mitglieder "an neue Realitäten" anzupassen.