Maradona im Jahr 2017 bei einem Spiel der Fußballlegenden in Brig

Diego Maradona gestorben Der Goldjunge mit der Hand Gottes

Stand: 25.11.2020 20:43 Uhr

Die Fußballwelt trauert um Diego Maradona. Er galt als Idol - trotz seiner Fehltritte und Exzesse. Gesundheitlich war er aber seit langem angeschlagen. Nun ist er im Alter von 60 Jahren gestoben. Ein Nachruf.

Von Ivo Marusczyk, Buenos Aires

Nur vier Minuten lagen zwischen dem schlimmsten und schönsten Tor seiner Karriere. Es ist der 22. Juni 1986, Viertelfinale der Fußballweltmeisterschaft zwischen Argentinien und England. Es läuft die 51. Minute, als Diego Maradona einem verunglückten Abwehrball im englischen Strafraum entgegenspringt. Mit der linken Hand drückt er den Ball ins englische Tor. Der Schiedsrichter übersieht die Aktion und gibt den Treffer zum 1:0 für Argentinien. Allen Protesten der Engländer zum Trotz.

Maradona selbst sprach später ganz ungeniert von der "Hand Gottes", die da im Spiel gewesen sei. Es ist das wohl umstrittenste Tor in der WM-Geschichte seit Wembley. Doch nur vier Minuten später zeigte Maradona seine sportliche Überlegenheit.

In der eigenen Hälfte kommt Maradona an den Ball. Mit einer schnellen Körpertäuschung trickst er zwei Gegenspieler aus, rennt 60 Meter durch die Spielhälfte der Engländer. Den Ball immer dicht am Fuß. Er dribbelt virtuos um die komplette englische Abwehr herum, umkurvt den Torwart und schießt ein: 2:0 für Argentinien.

Mal Schurke, mal Held

"Was für ein Genie, ich weine fast", gestand Reporter Victor Hugo Morales in einer mittlerweile legendären Live-Reportage. Es ist dieser Treffer, der zum WM-Tor des Jahrhunderts gekürt wurde. Der Rest ist Fußballgeschichte. Nach England besiegt die "Albiceleste" noch Belgien und Deutschland im Finale.

Schurkenstücke und Heldentaten lagen bei Maradona immer ganz nah beieinander. Ein Virtuose am Ball - aber immer wieder eckte der Argentinier auch an. Die Argentinier liebten ihn genau für diese List, Dreistigkeit und Erfindungsgabe, mit der er immer wieder irgendwie durchkam. Auf dem Rasen wie im Leben.

Von Argentinien nach Europa

Diego Armando Maradona wuchs in ärmlichen Verhältnissen in einem Vorort von Buenos Aires auf. Mit 15 Jahren wurde er zum ersten Mal in der ersten Liga eingewechselt und stieg schnell zum Superstar auf. 1982 wechselte er nach Europa, in Barcelona kam er allerdings nie richtig an. Erst in Neapel fand Maradona eine zweite Heimat.

Dank Maradona mauserte der italienische Club sich vom Abstiegskandidaten zum Meister, in Neapel erfuhr Maradona dieselbe Verehrung wie in Argentinien. Oder sogar noch größere. Doch auch in Neapel gehörten Licht und Schatten zusammen. Man munkelte über Kontakte zur Unterwelt und über Kokain-Parties.

Der "Goldjunge" und die Drogen

Spätestens mit der WM 1990 beginnt Maradonas Abstieg. Übergewicht, schwache Form - und dann wies ein Doping-Tests ihm auch noch Drogenkonsum nach. Das Kokain sorgte dafür, dass der "Pibe de oro", der einstige "Goldjunge" zum Schatten seiner selbst verkommt. Er fing sich immer wieder, rutschte aber auch immer wieder ab.

Nach Stationen am Persischen Golf, in Belarus und Mexiko kehrte Maradona vor einem Jahr nach Argentinien zurück. Die Tränen flossen in Strömen, bei den Fans und bei Maradona selbst, als er zum ersten Mal beim vom Abstieg bedrohten Club "Gimnasia La Plata" auf der Trainerbank saß. Er fühle sich im Stadion wie im Himmel, sagte Maradona damals. Er müsse die letzten Jahre einfach in seinem Land verbringen.

Drei Tage Staatstrauer

Am 30. Oktober feierte der Star seinen Geburtstag. Zur Feier des Tages durfte sein Verein nach der Corona-Pause die neue Spielzeit eröffnen. Maradona kam kurz ins Stadion, wirkte allerdings schon sehr schwach.

Am 3. November wurde er ins Krankenhaus gebracht, die Ärzte entfernten ein Blutgerinnsel aus dem Gehirn. Sein Arzt hatte seitdem immer wieder erklärt, die Genesung verlaufe erstaunlich gut. Aber am Mittwoch erlitt Maradona in seinem Haus in der Nähe von Buenos Aires einen Herzstillstand. Neun Rettungsteams versuchten vergeblich, ihn wiederzubeleben. Argentiniens Präsident Alberto Fernández ordnete drei Tage Staatstrauer an. Diego Armando Maradona wurde 60 Jahre alt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 25. November 2020 um 22:45 Uhr.