Hunderte Flüchtlinge ertrunken Gericht sieht sich nicht zuständig für Bootsunglück
Nach einem schweren Bootsunglück im Mittelmeer, bei dem Hunderte Flüchtlinge starben, stockt die juristische Aufarbeitung. Ein griechisches Gericht hat nun Anklagen gegen die mutmaßlichen Schlepper fallengelassen - es sei nicht zuständig.
In dem Prozess um eines der schwersten Schiffsunglücke im Mittelmeer sind die Vorwürfe gegen neun Angeklagte fallengelassen worden. Das Gericht in Griechenland erklärte sich für nicht zuständig, nachdem zwei Vertreter der griechischen Küstenwache ausgesagt hatten, das Unglück sei in internationalen Gewässern passiert.
Der überladene Trawler "Adriana" war im Juni vergangenen Jahres vor der griechischen Küste gesunken, nur 104 Menschen waren gerettet worden. Bis zu 600 Menschen sollen ums Leben gekommen sein.
Neun Ägypter, die das Unglück überlebt hatten, waren wegen fahrlässiger Tötung, Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Beihilfe zur illegalen Einreise angeklagt. Die Männer hatten zuvor stets ihre Unschuld beteuert: Sie hätten selbst dafür bezahlt, auf dem rostigen Fischkutter von der libyschen Hafenstadt Tobruk aus in Richtung Europa in See zu stechen. Die 21- und 37-Jährigen saßen elf Monate lang in Untersuchungshaft. Im Falle einer Verurteilung hätte ihnen eine lebenslange Haftstrafe gedroht.
Angeklagte waren als Schleuser identifiziert worden
Die Angeklagten waren laut Küstenwache und Staatsanwaltschaft von anderen Überlebenden des Unglücks anhand von Fotos als Schleuser identifiziert worden. Sie sollen das Boot gesteuert und teils mit Gewalt für Ruhe und Ordnung an Bord gesorgt haben. Nach Angaben von Überlebenden waren die meisten Migranten unter Deck eingesperrt und konnten sich nicht rechtzeitig befreien. Das Meer an der Unglücksstelle ist rund 5000 Meter tief.
Kritik gab es nach dem Unglück auch an der griechischen Küstenwache, der vorgeworfen wurde, das Boot nicht in Sicherheit gebracht zu haben. Die Beamten gaben an, mehrfach Hilfe angeboten zu haben, die aber von der Crew abgelehnt worden sei mit dem Hinweis, man wolle nach Italien, nicht nach Griechenland.
Offene Fragen zum Einsatz der Küstenwache
Mit Zwang hätten die Wasserpolizisten das Boot nicht ins Schlepptau nehmen wollen, hieß es - aus Angst, dass an Bord des völlig überfüllten Kutters Panik ausbrechen könnte. Manchen Zeugen zufolge nahm die Küstenwache das Boot dennoch ins Schlepptau, woraufhin tatsächlich Panik ausgebrochen und der Kutter gekippt sei. Die griechischen Behörden bestreiten die Vorwürfe.
In dem Fall gibt es weiterhin viele offene Fragen, Ermittlungen zum Agieren der griechischen Behörden dauern an. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex und die NGO Alarm Phone hatten den griechischen Behörden gemeldet, dass sich die "Adriana" in der griechischen Such- und Rettungszone befand.
Anwälte: Unsere Mandaten zu Sündenböcken gemacht
Anwälte der angeklagten Männer erklärten, ihre Mandanten seien zu Sündenböcken gemacht worden, um vom Fehlverhalten der griechischen Küstenwache abzulenken, die es versäumt habe, nach dem Unglück eine wirksame Rettungsaktion einzuleiten.
Ihre Mandanten seien außerdem keine 24 Stunden nach dem Untergang des Schiffes und auf der Grundlage von nur neun Zeugenaussagen festgenommen worden, von denen einige nicht richtig übersetzt worden seien. Nach Darstellung der Anwälte gaben einige Überlebende an, von der griechischen Polizei unter Druck gesetzt worden zu sein, die Verdächtigen auf unscharfen Fotos zu identifizieren.