UKIP-Chef Farage tritt zurück "Ich will mein Leben zurück"
Ohne ihn wäre es wohl nie zum EU-Referendum und zum Brexit gekommen: Nigel Farage, der Chef der rechtspopulistischen Partei UKIP. Ein Vierteljahrhundert hatte er gegen die EU gekämpft. Nun, da er sein Ziel erreicht hat, hat er überraschend seinen Rücktritt erklärt.
Das politische London hatte darüber spekuliert, was Nigel Farage wohl nach seinem Brexit-Triumph machen würde. Den 23. Juni hatte er schon als britischen "Independence Day" gefeiert. Am Morgen bereitete der Rechtspopulist den Spekulationen ein Ende - als er erklärte, sich von der UKIP-Spitze zurückzuziehen. "Ich habe das Gefühl, dass es richtig ist, wenn ich jetzt als UKIP-Chef beiseite trete", sagte er.
Der 52-Jährige, der in zweiter Ehe mit einer Deutschen verheiratet ist, hat den politischen Kampf seines Lebens gewonnen: Die Briten haben mehrheitlich dafür gestimmt, aus der EU auszutreten. Er habe seinen Beitrag dazu geleistet, so der UKIP-Chef - und mehr als den Sieg in diesem Volksentscheid könne er nicht erreichen.
Diesmal kein Rücktritt vom Rücktritt
Farage will diesmal, das sagt er zumindest, wirklich abtreten. Nicht so wie im vergangenen Jahr, als er nach der Unterhauswahl erst seinen Rücktritt und kurz danach den Rücktritt vom Rücktritt ankündigte.
Unter der Führung von Farage hat UKIP in Großbritannien die Europa-Wahl 2014 gewonnen, ist zur drittstärksten politischen Kraft in England aufgestiegen - und hat jetzt Basis und Wähler für den "Brexit" mobilisiert.
Die Parteibasis verehrt Farage wie einen politischen Messias, der Großbritannien wieder auf den aus ihrer Sicht richtigen - oder besser: rechten - Pfad geführt hat. Im Süden Englands wächst sich UKIP zur Bedrohung für die Tories und im Norden Englands für Labour aus. "Meine Partei", lobt Farage sich selbst, "ist in einer guten Verfassung. Erst recht im Vergleich mit den anderen."
Wer folgt auf Cameron?
Mit Farage tritt ein weiterer Politiker aus der Riege der "Brexit"-Vorkämpfer ab, nachdem Boris Johnson bereits vergangene Woche erklärt hatte, nicht für den Parteivorsitz der Konservativen zu kandidieren. Sein Mandat im Europa-Parlament will Farage aber behalten und er hofft darauf, dass an der Spitze der Regierung in London bald ein überzeugter "Brexiteer" steht.
Welchen konservativen Brexit-Befürworter er am liebsten in der Downing Street sähe - ob Justizminister Michael Gove oder Energie-Staatssekretärin Andrea Leadsom - wollte Farage nicht kommentieren. Und auch nicht, dass der UKIP-Finanzier Arron Banks angeblich Leadsom unterstützt, die so schnell wie möglich aus der EU aussteigen will. Leadsoms Mit-Bewerber für den Posten des Partei- und Regierungschefs - Theresa May und Michael Gove - wollen sich dagegen Zeit lassen, die Scheidung in Brüssel einzureichen. Sollte die neue Tory-Regierung Zugeständnisse bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit und beim Zugang zum Binnenmarkt machen, dann stünden UKIPs beste Tage noch bevor, prophezeit Farage.
"Ich will mein Leben zurückhaben"
Eines seiner politischen Ziele hat Farage bislang nicht erreicht: einen Sitz im britischen Unterhaus zu gewinnen. Er hatte womöglich auf rasche Neuwahlen gehofft, doch danach sieht es derzeit nicht aus. Öffentlich überworfen hat er sich mit dem einzigen UKIP-Abgeordneten Douglas Carswell; der twitterte als Reaktion auf den Rücktritt einen Smiley. Farage sagte am Schluss seiner Rede, nachdem er sein Land zurückhabe, wolle er jetzt sein Leben zurückhaben.
Am Dienstag stimmt die konservative Unterhaus-Fraktion in einem ersten Wahlgang über die insgesamt fünf Kandidaten ab; der- oder diejenige mit den wenigsten Stimmen ist aus dem Rennen. Derweil stellt Finanzminister George Osborne in Aussicht, Unternehmen nach dem Brexit mit einem niedrigen Steuersatz von unter 15 Prozent auf der Insel zu halten. Ob Osborne allerdings auch künftig als Schatzkanzler in 11 Downing Street wohnt, ist offen. Die tollen Tage in der britischen Politik sind noch nicht zu Ende.