Krieg in der Ukraine Schulanfang in Trümmern
Bald beginnt in der Ukraine das neue Schuljahr. Doch Tausende Schulen wurden im Krieg zerstört. Die sechsjährige Jewa hatte von einer festlichen Einschulung geträumt - nun liegt ihr Zukunftswunsch in Trümmern.
Die sechsjährige Jewa freut sich seit Monaten auf einen großen Tag: ihre Einschulung. Sie träumt davon, mit ihrem großen Bruder Timur auf dieselbe Schule zu gehen. Gemeinsam mit ihrer Mutter Valentina Antonenko hat sie sich bereits ihre "Wyschywanka" gekauft, eine typisch ukrainische Tracht. Unbedingt will sie an ihrem ersten Schultag die goldene Schulglocke läuten - wie es in der Ukraine Tradition ist.
Doch die "MM Publications Smart School" in Irpin ist eine Kriegsruine - die Schule, die Jewa besuchen will und in der ihre Mutter als Englisch-Lehrerin arbeitet. Insgesamt wurden in den vom Krieg betroffenen Gebieten der Ukraine mehr als 2000 Schulen durch den Krieg beschädigt, 200 vollständig zerstört.
Angewiesen auf freiwillige Helfer
Eltern, Lehrer und freiwillige Helfer aus anderen Gebieten würden zwar beim Aufbau der Schule helfen, erzählt Jewas Mutter Valentina, aber es fehle das Geld: "Sie versprechen uns Hilfen. Der Staat und verschiedene ausländische Stiftungen. Aber wir warten immer noch. Konkrete Hilfen haben wir noch nicht bekommen".
Konsequent sei dagegen die schnelle Anpassung des Lehrplans, sagt Antonenko: Das ukrainische Ministerium für Bildung und Wissenschaft teilte mit, dass die russische Sprache und Literatur ab der sechsten Klasse vollständig aus dem Lehrplan gestrichen ist.
Antonenko findet das gut. Sie selbst sei mit der russischen Sprache aufgewachsen, aber nach allem, was Russland der Ukraine angetan hat, wolle sie, dass ihre Kinder kein Russisch mehr lernen müssen: "Die Kindheit kommt nicht wieder. Genauso wenig die Menschen, die gerade sterben."
Jewa Antonenko und ihre Mutter Valentina wollten am ersten Schultag traditionelle Wyschywanka tragen. Nun fällt der Festtag für das Mädchen aus.
Schulanfang im Krieg
Seit Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine vor sechs Monaten hat es im Land keinen Präsenzunterricht mehr gegeben. Auf einer Tafel in Jewas Schule steht noch das Datum des letzten Schultags: Mittwoch, 23. Februar 2022.
Jetzt sollen die Schulen wieder öffnen, Präsenzunterricht stattfinden - auch in Kiew. Bürgermeister Vitali Klitschko verkündete: "Selbst unter diesen schwierigen Umständen hat die Stadt entschieden, Schulen und Kindergärten zu öffnen."
Auch wenn Kiew weit von der Front entfernt ist, ist die Bedrohung greifbar. Nahezu gibt es Luftalarm, oft sogar mehrfach pro Tag. Klitschko hat in seiner Stadt die Sicherheitsvorkehrungen der Schulen überprüfen lassen. Viele Einrichtungen verfügten demnach über angemessene Sicherheitsräume oder Bunker. "Einrichtungen, in deren Nähe es keine Schutzräume gibt, werden Online-Unterricht anbieten," kündigte Klitschko an.
Jewa Antonenko und ihre Mutter Valentina gehen durch das verwaiste Schulgebäude. Wann sich Jewas Traum von der Einschulungsfeier erfüllt, hängt vom Kriegsverlauf ab.
Angst und Flucht
Valentina Antonenko wünscht sich für ihre Tochter mehr als Online-Unterricht. "Ich möchte einfach, dass mein Kind - trotz allem - ein Fest feiert," sagt sie. Antonenko lebt mit ihrer kleinen Tochter nahe der Schule in Irpin. Der Blick aus dem Kinderzimmer lässt erahnen, was die Familie durchmachen musste, als auch hier russische Raketen einschlugen.
Damals beschloss die Familie zu fliehen, geriet aber unter Beschuss. "Wahrscheinlich haben wir Glück gehabt und wurden von Schutzengeln bewacht", sagt Antonenko. "Wir haben es geschafft, anzuhalten und uns auf den Boden zu werfen." Die Familie blieb unverletzt - aber ihre Nachbarn hatten kein Glück: "Leider sind die Menschen, die in den anderen Autos gefahren sind, ums Leben gekommen."
Jetzt ist die Familie wieder zurück in Irpin. Doch niemand weiß, wann Jewas Wunsch von einer Einschulungsfeier in Erfüllung geht.