
Nach russischem Drohnenangriff Ukraine meldet Schäden an Tschernobyl-Hülle
Immer wieder beschießt Russland strategisch wichtige Ziele in der Ukraine. Nun soll eine russische Drohne das stillgelegte AKW Tschernobyl getroffen haben. Präsident Selenskyj spricht von "bedeutenden Schäden", der Kreml dementiert.
Eine russische Drohne hat nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Schutzhülle des vor fast 40 Jahren havarierten Atomkraftwerks Tschernobyl beschädigt. Ein Feuer sei ausgebrochen, es habe jedoch gelöscht werden können. Die Strahlenbelastung sei nicht erhöht, die Schäden seien aber bedeutend, schrieb der Präsident weiter.
Das einzige Land der Welt, das solche Orte angreife, Atomkraftwerke besetze und einen Krieg ohne Rücksicht auf Konsequenzen führe, sei Russland, kritisierte Selenskyj. "Dies ist eine terroristische Bedrohung für die ganze Welt."
"Es muss Druck auf den Aggressor geben"
Jede Nacht verübe Russland Attacken auf die ukrainische Infrastruktur, baue seine Armee weiter aus und zeige keine Anzeichen einer Änderung seiner "menschenfeindlichen Staatsrhetorik", so Selenskyj. "Das bedeutet, dass (Russlands Präsident Wladimir) Putin sich definitiv nicht auf Verhandlungen vorbereitet - er bereitet sich darauf vor, die Welt weiterhin zu täuschen", schrieb der ukrainische Präsident. "Deshalb muss es einen gemeinsamen Druck von allen geben, die das Leben wertschätzen - Druck auf den Aggressor. Russland muss für seine Taten zur Rechenschaft gezogen werden."
Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA bestätigte den Vorfall. In der Nacht gegen 1.50 Uhr Ortszeit hätten die dort stationierten internationalen Atombeobachter eine Explosion am Sarkophag um den havarierten Reaktor 4 gehört. Sie seien anschließend darüber informiert worden, dass eine Drohne die Überdachung des AKW getroffen habe, heißt es in einer Mitteilung der IAEA. Derzeit gebe es keine Anzeichen für einen Bruch in der inneren Sicherheitshülle.
Kreml dementiert Beteiligung
Der Kreml wies eine Beteiligung am Angriff zurück. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sprach von einer Provokation. Er habe zwar keine genauen Informationen zu dem mutmaßlichen Vorfall, Russland greife aber keine nukleare Infrastruktur an, so Peskow weiter.
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Karte der Ukraine und Russlands, hell schraffiert: von Russland besetzte Gebiete
Sarkophag kürzlich erneuert
Im damals sowjetischen Kernkraftwerk Tschernobyl explodierte am 26. April 1986 ein Reaktor. Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl gilt als weltweit schwerster Reaktorunfall. Wegen der Strahlung musste nicht nur das Kraftwerk stillgelegt, sondern es mussten auch anliegende Ortschaften evakuiert werden. Bei den Rettungs- und Bergungsarbeiten erlitten viele Menschen schwere Strahlenschäden. Die WHO schätzt, dass 600.000 bis 800.000 Menschen für die Aufräumarbeiten eingesetzt wurden.
Über dem ersten Schutzschild wurde mit internationaler Hilfe ab 2010 ein neuer Sarkophag gebaut, der offiziell 2019 eingeweiht wurde. 2022 kurz nach Beginn des von Kremlchef Wladimir Putin befohlenen Angriffskriegs besetzten russische Truppen das Gelände des AKW. Sie mussten sich aber später wieder zurückziehen.
Russland meldet Beschuss nahe AKW Saporischschja
Unterdessen meldeten russische Behörden, dass in der besetzten Kraftwerksstadt Enerhodar in der Nähe des Atomkraftwerks Saporischschja die Strom- und Wasserversorgung abgeschaltet werden mussten. Die ukrainische Armee habe 15 Artillerieschläge gegen das Wärmekraftwerk Saporischschja geführt, meldete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass.
Betroffen von den Stromabschaltungen waren demnach 50.000 Haushalte in Enerhodar und der Umgebung. Wegen der niedrigen und instabilen Netzspannung sei auch die Wasserversorgung vorübergehend abgestellt worden. Beides wurde demnach inzwischen teilweise wiederhergestellt. Auf das nahegelegene südukrainische Atomkraftwerk Saporischschja gebe es keine Auswirkungen.