Regierungsbildung in Österreich Wie geht es nach Nehammers Rücktritt weiter?
In Österreich sind Koalitionsgespräche gescheitert. Kanzler Nehammer zieht Konsequenzen. Nun will sich Bundespräsident Van der Bellen äußern. Beauftragt er die FPÖ mit der Regierungsbildung? Und gibt es ein Comeback von Kurz?
Nicht einmal einen Verhandlungstag haben ÖVP und SPÖ noch miteinander hinbekommen. Am späten Samstagmittag waren die Parteien zu Verhandlungen im Kanzleramt am Wiener Ballhausplatz zusammengekommen. Am Abend schmiss die ÖVP hin.
Und nicht nur das, auch Österreichs Kanzler Karl Nehammer tritt zurück, auch von der Parteispitze, wie er in einer Videobotschaft ankündigte. "Ich werde mich als Bundeskanzler und auch als Parteiobmann der Volkspartei in den nächsten Tagen zurückziehen und einen geordneten Übergang ermöglichen", sagte er.
Eindringliche Warnung vor Radikalen
Zuvor hatte Nehammer in seiner Stellungnahme eindringlich vor radikalen Kräften gewarnt. "Es ist meine tiefe Überzeugung, dass Radikale für kein einziges Problem eine Lösung bieten, sondern nur davon leben, Probleme zu beschreiben", sagte Nehammer. "Das ist schlecht für Österreich und ist schlecht für die Menschen in unserem Land."
Nehammer dürfte damit auf die in Teilen rechtsextreme FPÖ angespielt haben. Diese hatte die Wahl im September gewonnen, Nehammer hatte sich aber stets geweigert, mit ihr zu koalieren. Ob die ÖVP ohne Nehammer mit der FPÖ über eine Regierung verhandeln will, ist bislang offen.
Kommt nun doch eine Koalition mit FPÖ?
Wie könnte es nun weitergehen? Der österreichische Politikberater Thomas Hofer sieht zwei Möglichkeiten. "Tatsächlich Blau-Schwarz", sagte der Berater. "Es ist jetzt so, nachdem Nehammer de facto weg ist, zwar für einen geordneten Übergang sorgen wird, aber wenn da jemand übernimmt oder übernähme, der eine andere Gesprächsbasis zur FPÖ hat, ist das eine Möglichkeit. Oder es gibt dann Neuwahlen."
Ebenso ist unklar, wer Nehammers Nachfolger werden könnte. Österreichische Medien spekulieren gar über eine Rückkehr von Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Hofer schätzt das als nicht unrealistisch ein. "Ich glaube, er will", sagte Hofer. Man höre "aus seinem Lager", dass es da eine Möglichkeit für ihn gibt und Kurz selbst auch ein Comeback in Betracht ziehe, sagte der Politikberater.
Babler: Kompromisse sind keine Einbahnstraße
Das, glaubt Hofer, wäre aber nur bei Neuwahlen realistisch. Für die sitzengelassene SPÖ scheint vorerst jede Machtoption dahin. Parteichef Andreas Babler zeigte sich enttäuscht. Er sagte, er habe angeboten, weiter zu verhandeln. "Die letzten Wochen sollten nicht umsonst gewesen sein", sagte Babler. Er sei überzeugt gewesen, dass die letzten offenen Punkte noch hätten geklärt werden können - "in den nächsten Stunden und Tagen".
Die Sozialdemokraten seien bereit für Kompromisse gewesen. Verhandlungen seien keine Einbahnstraße, so Babler. Das habe auch Karl Nehammer verstanden. "Und ich mag ihm ganz ausdrücklich danken", sagte der Sozialdemokrat. "Die Kräfte, die sich letztlich in der ÖVP durchgesetzt haben - und sie waren alle Zeugen in den letzten Tagen -, die wollten das nicht."
Van der Bellen will sich am Sonntag äußern
Wie es weitergeht, könnte sich erst am Sonntag zeigen. Dann will sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen äußern. Er hatte Karl Nehammer den Auftrag zu Regierungsbildung erteilt, und nicht dem Wahlsieger Herbert Kickl von der FPÖ. Ob Van der Bellen bei dieser Linie bleibt, ist offen.