Antonio Costa und Keir Starmer

Großbritannien und die EU Brexit als Dauerzustand

Stand: 27.12.2024 10:46 Uhr

"Get Brexit done" hieß einst das Versprechen der Konservativen. Doch so einfach ist es nicht, Brexit scheint ein chronisches Problem zu sein. Nun wollen die Briten einen neuen Deal mit der EU aushandeln. Doch was ist möglich?

"Get Brexit done" war einst das Versprechen von Boris Johnson. Der Satz des damaligen britischen Premiers hatte etwas Endgültiges. So, als könnte man einen Haken hinter den Austritt aus der Europäischen Union machen.

Doch so einfach ist es nicht. Das Vereinigte Königreich ist ausgetreten, doch das Verhältnis zur EU ist immer wieder auf dem Prüfstand. Der heutige Premier Keir Starmer will mit der EU-Kommission verhandeln. Es geht um einen besseren Deal. Den Menschen solle es besser gehen mit einem neuen Abkommen, sagte Starmer der Zeitung The Sun in einem Videointerview.

Dramatische Rückgänge beim Umsatz

Gerade erst gibt es neue Zahlen, die deutlich machen, wie wichtig die Europäische Union als Handelspartner für Großbritannien ist. In den Jahren 2021 und 2022 haben britische Firmen 32,5 Milliarden Euro weniger Umsatz mit Europa verzeichnet - wegen des Brexits, heißt es in einer Studie der London School of Economics.

Vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen haben ihren Handel mit der EU eingestellt oder stark einschränken müssen. Die Bürokratie ist groß, die Kosten hoch.

Die britische Regierung ist unter Druck, es fehlen Einnahmen, das Wirtschaftswachstum könnte stärker sein. Gerade erst war Finanzministerin Rachel Reeves beim Treffen der europäischen Finanzminister.

Ein inzwischen ungewöhnlicher Besuch

Allein das ist eine Nachricht wert, weil unter der konservativen Regierung ein solcher Besuch undenkbar war. In Brüssel unterstrich die Labour-Politikerin die Bedeutung des "reset", der Neuausrichtung der Beziehungen zur EU: "Wir müssen mehr tun, um unser Wachstum anzuschieben, die Wettbewerbsfähigkeit und den Handel zu fördern."

Anfang 2025 dürften die Gespräche für ein Veterinärabkommen Fahrt aufnehmen. Wenn britische Lebensmittelproduzenten und Landwirtschaftsbetriebe sich an europäische Standards hielten, würde das den Handel wahrscheinlich vereinfachen. Kontrollen, Bürokratie, Papierkram könnten wegfallen.

Für die Brexit-Befürworter ist das ein Albtraum. In der Zeitung The Sun heißt es bereits: "Brussels wants to take back control" - "Brüssel will wieder die Kontrolle übernehmen". Die Überschrift ist in Anlehnung an ein politischen Schlagwort der Brexitbefürworter formuliert: "Take back control" - "übernimm die Kontrolle", hatten sie sich mit Blick auf das Vereinigte Königreich ausgedacht.

Labour in der Defensive

Die Labour-Regierung muss deswegen immer wieder deutlich machen, dass es nicht darum geht, den Brexit rückabzuwickeln.

Finanzministerin Rachel Reeves sagte entsprechend: "Im Wahlprogramm haben wir versprochen, das Wachstum zu fördern. Wir haben aber auch gesagt, es wird keine Rückkehr in den EU-Binnenmarkt geben, keine Zollunion, keine Arbeitnehmerfreizügigkeit."

Und damit steht die britische Regierung wieder da, wo sie schon mal stand, vor all den komplizierten Fragen und auch den Forderungen der EU: kein "cherry picking", das heißt im übertragenen Sinne, die Briten können sich nicht nur die Rosinen rauspicken.

Ein wichtiger Punkt: Wer ist zuständig im Falle eines Rechtsstreits? Die Briten lehnen eine Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes ab. Und die Europäer haben ihre eigenen Interessen: Es geht um Fischerei und die Freizügigkeit für Schüler und Studentinnen, was die Briten bislang ablehnen.

"Get Brexit done" war also eher eine Illusion. "Leben mit dem Brexit" wäre passender gewesen.

Und dann sind da noch die USA

Die Gespräche mit der Europäischen Union sind auch deswegen so brisant, weil sich aus britischer Sicht die Frage stellt, ob Vereinbarungen mit der EU möglicherweise einem Abkommen mit den USA im Weg stehen könnten. Darauf schielt die britische Regierung immer noch.

Die Hoffnung ist, zwei Pferde gleichzeitig zu reiten, von Abkommen mit beiden Wirtschaftsräumen profitieren zu können. Oder verhindern Zusagen an die Europäer alle Flexibilität und die von Brexit-Befürwortern gepriesenen Vorteile des Austritts aus der EU?

Es ist schwierig einzuschätzen - auch angesichts der Ankündigung des designierten US-Präsidenten Donald Trump, Handelszölle einzuführen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 20. November 2024 um 09:15 Uhr.