Ursula von der Leyen und Stéphane Sejourne bei der Vorstellung des "Kompass für Wettbewerbsfähigkeit".

Neuer Plan der EU-Kommission Ein "Kompass" für Wettbewerbsfähigkeit

Stand: 29.01.2025 18:34 Uhr

Weniger Bürokratie, mehr Innovation, effizienter Kapitalmarkt: Die EU will dringend wettbewerbsfähiger werden - und so hat Kommissionspräsidentin von der Leyen nun einen Plan vorgelegt, mit dem das gelingen soll.

Die neue EU-Kommission setzt ihre Segel, und der Kompass zeigt Richtung: mehr Wettbewerbsfähigkeit. Die stand schon im Mittelpunkt der Bewerbungsrede von Ursula von der Leyen, mit der sie im Juli vergangenen Jahres für eine zweite Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission kandidierte.

Jetzt hat sie einen ganzen Katalog von Maßnahmen vorgelegt, die konkretisieren sollen, was das bedeutet.

Drei Bereiche im Fokus

Drei Bereiche hat die Kommission ausgemacht, auf denen die 27 EU-Mitglieder dringend vorankommen müssen: mehr Innovation; mehr Verbindung von Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz; und schließlich mehr Unabhängigkeit von anderen Märkten, zum Beispiel bei Rohstoffen.

"Wir haben eine starke industrielle Basis", erklärt von der Leyen bei der Vorlage des "Wettbewerbskompass" in Brüssel. Europa habe sehr gut ausgebildete Arbeitskräfte und einen riesigen Binnenmarkt. "Wir sind starke Handelspartner, haben zuverlässige Rechtsrahmen", sagt sie.

Und doch: "Europa wird von Schwachpunkten gebremst." Die Tage der billigen Arbeitskräfte aus China, der scheinbar billigen Energie aus Russland und der Auslagerung von Sicherheit erklärt die Kommissionschefin für "endgültig vorbei".

Kapitalmarktunion seit Jahren Thema

Die Digitalbranche soll einen Schub bekommen, die Industriepolitik europaweit viel mehr koordiniert und die Entwicklung von Innovationen leichter gemacht werden. Start-ups sollen mit einfacheren Regeln an den Start gehen können.

Die Kapitalmärkte will die Kommission stärker zusammenführen, damit Geld nicht ins außereuropäische Ausland geht, sondern in der EU eingesetzt wird. "Uns fehlt es nicht an Kapital", sagt von der Leyen. "Bei uns liegen jedes Jahr fast eineinhalb Billionen Euro brach. Uns fehlt es an einem effizienten Kapitalmarkt, der die hier liegenden Gelder in Investitionen bringt für junge Technologien, die das Potenzial für einen Durchbruch haben."

Allerdings: Das Thema Kapitalmarktunion wird seit Jahren auch schon auf Ebene der Regierungschefs und -chefinnen behandelt - bislang jedoch ohne durchschlagenden Erfolg. Immer noch müssen sich Investoren damit herumschlagen, dass sie es in Europa unter Umständen mit 27 unterschiedlichen, nationalen Kapitalmarktsystem oder Insolvenzregeln zu tun haben.

Bürokratieabbau und niedrigere Energiekosten

Vor allem aber will die Kommission die Unternehmen von überbordender Bürokratie entlasten. Da werden wir eine "beispiellose Anstrengung" an den Tag legen, verspricht von der Leyen. Ein Viertel der bürokratischen Hürden für große Unternehmen soll abgebaut werden, sogar mehr als ein Drittel für die kleinen und mittelständischen.

Von der Leyen spricht von insgesamt 37 Milliarden Euro, die das den Unternehmen bis zum Ende des gerade begonnenen Fünf-Jahres-Mandats bringe. Bereits im Februar will sie einen konkreten Vorschlag vorlegen, welche Berichtspflichten aus verschiedenen Bereichen zusammengefasst und vereinfacht werden können.

Auch die hohen Energiepreise will die Kommission in Angriff nehmen. Sie liegen zwar schon wieder auf dem Niveau, auf dem sie sich vor Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 befanden, aber sie seien immer noch zu hoch, sagt von der Leyen. Helfen sollen dabei Investitionen in den Netzausbau und langfristige Stromverträge in der Industrie. Parallel dazu wird auch der weitere Ausbau erneuerbarer Energieträger unterstützt.

"Sinneswandel in Brüssel überlebenswichtig"

In der Wirtschaft werden die Vorschläge der Kommission begrüßt, vor allem die Ankündigung, bürokratische Hürden abzubauen. Der Bundesverband für Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA) nennt den "Sinneswandel in Brüssel überlebenswichtig für die Wirtschaft". Der Bundesverband der deutschen Industrie erklärt, es sei höchste Zeit, dass die Kommission ihren politischen Kompass entschlossen auf Wettbewerbsfähigkeit ausrichte.

René Repasi, Sprecher der deutschen SPD-Abgeordneten im Europaparlament, begrüßt, "dass hier vor allen Dingen auf Innovation geschaut wird. Es ist richtig, dass wir hier mehr Kapital mobilisieren müssen." Gleichzeitig warnt Repasi allerdings auch davor, zugunsten von mehr Wettbewerbsfähigkeit die Ziele des Green Deal zu schleifen.

Diese Befürchtung hat auch Michael Bloss von den europäischen Grünen. Die Unternehmen hätten entsprechend investiert und bräuchten dafür jetzt Sicherheit, sagt Bloss. "Ein Schlingerkurs würde unserer Wirtschaft extrem schaden. Ob der Kompass dafür Kurs hält, steht allerdings in den Sternen."

Von der Leyen versicherte, der Green Deal werde nicht einkassiert: "Wir stehen dazu, ohne Wenn und Aber." Auf dem Weg dahin müsse die EU aber pragmatisch vorgehen, fügt von der Leyen hinzu.

27 Seiten umfasst das Kompasspapier der Kommission. Es enthält mehr als zwei Dutzend Strategien und Gesetzesvorschläge, die sie nun bis Ende kommenden Jahres einzeln vorlegen will.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 29. Januar 2025 um 15:00 Uhr.