Klagedrohung gegen EU-Regeln Umweltschützer gehen gegen Taxonomie vor
Wer in Atomkraftwerke oder Gasinfrastruktur investiert, tut künftig nach neuen EU-Regeln etwas fürs Klima. Umweltschützer haben das scharf kritisiert. Sie setzten der EU-Kommission nun ein Ultimatum - verbunden mit der Ankündigung einer Klage.
Mehrere Umweltorganisationen wollen gegen neue EU-Regeln klagen, die Atomkraftwerke und Gasinfrastruktur ab Januar als klimafreundliche Projekte einstufen. Unter anderen fordern der WWF, Greenpeace und der BUND die EU-Kommission dazu auf, die entsprechende Regelung zurückzuziehen, wie aus zwei Mitteilungen hervorging.
Atomkraft und Gas ab Januar "klimafreundlich"
Die Brüsseler Behörde hat nun bis Februar Zeit, um darauf zu reagieren. Ansonsten wollen die Umweltschützer vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ziehen.
Hintergrund ist die sogenannte Taxonomie. Darin listet die Kommission auf, in welche Bereiche Bürger und Unternehmen Geld investieren können, um den Klimawandel zu bekämpfen.
Die EU-Kommission hat die aktuelle Verordnung, die Atom und Gas als nachhaltig einstuft, im Februar verabschiedet. Im Juli billigte das EU-Parlament diese Verordnung.
Ab Januar werden auch Atomkraft und Gas unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich genannt. Das ist umstritten, da beim Verbrennen von Gas klimaschädliches Kohlendioxid entsteht und es keine endgültige Lösung für den radioaktiven Müll von Atomkraftwerken gibt.
Umweltschützer vermuten Verstoß gegen EU-Gesetze
Die EU-Länder und das EU-Parlament hatten der Einstufung zugestimmt. Acht Greenpeace-Büros, darunter das deutsche, legten Widerspruch gegen die Einstufung ein. Sie verstoße gegen die europäischen Klimagesetze und den Prinzipien der Taxonomie selbst, hieß es in einer Mitteilung.
Zudem widerspreche sie den Zielen des Pariser Klimaabkommens, den Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. "Mit dieser Taxonomie verrät die EU ihre selbstgesteckten Umwelt- und Klimaziele", sagte Martin Kaiser, Vorstand von Greenpeace Deutschland.
Gestützt durch Gutachten
Greenpeace sieht seine Einschätzung von Gas und Atom durch zwei neue Gutachten gestützt. Ein Gutachten von Aurora Energy Research zum Thema Gas zeige, dass sich Europa mit der ab 2023 geltenden Taxonomie langfristig "an den klimaschädlichen Energieträger Gas binden und die Energiewende ausbremsen würde", hieß es.
Eine zweite Studie der Physikerin Oda Becker zeige, dass neue Atomkraftwerke das europäische Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein, unterliefen und deswegen keine Übergangstechnologie sein könnten.
Rechtsakt aufheben
Daher fordern die Greenpeace-Länderbüros, den maßgeblichen Rechtsakt aufzuheben. Andernfalls werde Greenpeace Klage beim Europäischen Gerichtshof einreichen, sagte Kaiser.
Der WWF, der BUND und zwei andere Organisationen reichten ebenfalls einen Antrag ein, um insbesondere die Aufnahme von Gas in die Taxonomie anzufechten. Die Gasindustrie stehe angesichts der hohen Preise gerade im Mittelpunkt der Lebenskostenkrise in der EU, und ihre Förderung untergrabe die EU-Ziele der Energiewende, sagte ein Sprecher für die Organisationen.
Ziel sei es, "Greenwashing zu stoppen und die Glaubwürdigkeit der gesamten EU-Taxonomie zu bewahren", teilte der WWF in Berlin mit und unterstrich, fossiles Gas sei nicht nachhaltig.
Austritt aus Beratungsplattform
Am Freitag hatte bereits eine andere Gruppe von Umweltschützern, darunter Robin Wood, eine Nichtigkeitsklage vor dem EuGH eingereicht. Diese ficht insbesondere die klimafreundliche Einstufung von Bioenergie und Forstwirtschaftprojekten an, da dies die Waldzerstörung vorantreibe und die CO2-Emissionen erhöhe.
Die EU-Kommission müsse dafür sorgen, dass es keinerlei finanzielle Anreize für das industrielle Verheizen der Wälder gebe, sagte Jana Ballenthien von Robin Wood. In der vergangenen Woche waren mehrere Organisationen wie der WWF zudem aus Protest aus der Beratungsplattform ausgetreten, die die Taxonomie gemeinsam mit der Kommission ausgearbeitet hatte.
Sie kritisierten, die Behörde habe aus politischen Gründen in deren Arbeit interveniert und die Empfehlungen der Berater entgegen wissenschaftlichen Belegen ignoriert.