Finale Abstimmung zum EU-Asylrecht Reform bleibt umstritten - knappes Ergebnis erwartet
Jahrelang wurde gestritten, nun soll das EU-Parlament am Nachmittag den Schlusspunkt unter eine der wahrscheinlich wichtigsten EU-Reformen setzen: das Asylrecht. Die Abstimmung dürfte knapp werden.
Nach mehr als acht Jahre andauernden Streits haben sich die Mitgliedsländer und das EU-Parlament kurz vor Weihnachten im Grundsatz auf den Asyl- und Migrationspakt geeinigt. Doch damit hat er seine letzte Hürde noch nicht genommen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser appellierte danach, "dass wir die Migration natürlich weiter voranbringen müssen, weil wir im letzten Jahr Gott sei Dank eine Einigung mit dem Parlament für ein gemeinsames Asylsystem erzielen konnten. Da geht es jetzt auch darum, dass wir das mit Leben füllen und umsetzen."
Damit das Asylsystem und seine zehn Rechtsakte mit Leben gefüllt werden, muss das Parlament heute Nachmittag final über die neuen Regeln entscheiden. Bis zu zwei Jahre haben die Mitgliedsländer Zeit, die neuen Vorgaben umzusetzen.
Italien und Griechenland stärker entlasten
Ziel des Pakts ist es, die Migration nach Europa besser zu steuern. Wer kaum Aussicht auf ein Bleiberecht hat, soll schneller und direkt von der EU-Außengrenze abgeschoben werden. Dahinter stehen verpflichtende Grenzverfahren, die in der Regel schon nach zwölf Wochen abgeschlossen sein sollen. Eine mögliche Abschiebung soll danach - ebenso in bis zu zwölf Wochen - abgeschlossen sein. Von diesen Verfahren ausgeschlossen sind unbegleitete Minderjährige. Auf Druck der Grünen hatte die Bundesregierung auch Familien mit Kindern aus diesen Verfahren herausnehmen wollen, konnte sich aber nicht durchsetzen.
Der Migrationspakt soll helfen, Erstaufnahmeländer wie Italien und Griechenland stärker zu entlasten. Bei einer sehr hohen Zahl an Ankünften müssen sich die Länder auf Solidarität der anderen Mitgliedsstaaten verlassen. In einem solchen Fall sollen die Grenzverfahren auf eine größere Anzahl von Migranten ausgeweitet werden.
Umverteilungsmechanismus geplant
Bis zu 30.000 Menschen sollen außerdem pro Jahr innerhalb der EU umverteilt werden. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, müssen anderweitig helfen, etwa durch Geldzahlungen. Der Grundsatz soll gelten: Je größer die Not, desto größer muss der geleistete Solidaritätsbeitrag sein. Die EU-Kommission arbeitet die Details dazu noch aus.
In Zukunft soll mehr Klarheit darüber herrschen, wer die Flüchtlinge sind, die nach Europa einreisen. In einer zentralen EU-Datenbank werden Fingerabdrücke und biometrische Angaben der Migranten gesammelt, ebenso sind Sicherheitschecks vorgesehen.
Teile der Reform nach wie vor umstritten
Auch in den letzten Zügen des Gesetzgebungsverfahrens gelten Teile der Reform nach wie vor als umstritten. Dementsprechend wird mit einer knappen Entscheidung bei der Abstimmung gerechnet: "Ich erwarte keine überwältigende Mehrheit, im Sinne von, dass jetzt auf einmal 705 Abgeordnete dem zustimmen", sagt die CDU-Europaabgeordnete Lena Düpont. "Ich glaube, das ist auch jedem klar in der politischen Diskussion. Ich erwarte ein gemischtes Bild, was einzelne Rechtsakte angeht, aber ich erwarte auch, dass es insgesamt mit Mehrheit über die Bühne geht."
Bei der Abstimmung wird es dabei vor allem auf eine Mehrheit aus Christ- und Sozialdemokraten und Liberalen ankommen. Neben den Links- und Rechtspopulisten dürften die Grünen zumindest bei den meisten Teilen der Reform dagegen votieren. "Unter dem Strich wurde hier eine Asylreform beschlossen, die maßgeblich Asylrechtsverschärfungen enthält", sagt der Grünen-Europa-Abgeordnete Erik Marquardt. "Und die wahrscheinlich nicht dazu beiträgt, dass wir eine gerechtere Verteilung oder schnellere Integration derjenigen erreichen, die Schutz bekommen in Europa, sondern eher das Gegenteil."
Hauptzielland Deutschland
Politiker aus der christdemokratischen EVP warnen davor, dass der Asyl- und Migrationspakt bei der Abstimmung platzt. In diesem Fall dürfte das Thema eine umso größere Rolle im Europawahlkampf spielen und damit vor allem Rechtspopulisten nützen.
Die EU-Asylagentur rechnet damit, dass auch in diesem Jahr die Asylanträge auf einem hohen Niveau bleiben. Im vergangenen Jahr hatte es weit über eine Million gegeben. Hauptzielland ist nach wie vor Deutschland.