Ein Feuer brennt in dem in Rauch gehüllten Flüchtlingslager Moria auf der nordöstlichen Ägäisinsel Lesbos.

Griechenland Feuer verwüstet Flüchtlingslager Moria

Stand: 09.09.2020 11:35 Uhr

Mehrere Brände haben in der Nacht weite Teile des griechischen Flüchtlingslagers Moria zerstört. Wie es mit den Bewohnern weitergeht, ist unklar. Das Camp stand wegen mehrerer Corona-Fälle unter Quarantäne.

Es war nicht das erste Mal, dass es im Flüchtlingslager Moria auf die griechischen Insel Lesbos gebrannt hat - doch so heftig war es noch nie. In der Nacht stand das Camp fast vollständig in Flammen, es wurde massiv verwüstet. Helfer schätzten, dass rund ein Drittel des Lagers abgebrannt sei. Betroffen sei unter anderem das Zentrallager, schrieb der Geschäftsführer der Organisation Wadi, Thomas Osten Sacken, auf Facebook.

Windböen um die 60 Kilometer pro Stunde hatten der Feuerwehr die Löscharbeiten schwer gemacht, am Morgen brachte sie die Brände nach Regierungsangaben weitgehend unter Kontrolle.

Als auch Wohncontainer Feuer fingen, ordneten die Behörden die Evakuierung des Lagers an. Viele der Migranten hätten bereits von selbst versucht, sich in die umliegenden Hügel in Sicherheit zu bringen, so die Einsatzkräfte. Über mögliche Verletzte oder gar Tote gibt es bislang keine Informationen.

Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis berief eine Krisensitzung ein, sagte Regierungssprecher Stelios Petsas. Neben dem Migrations- und dem Bürgerschutzminister sollen daran auch der Chef des griechischen Nachrichtendienstes und der Generalstabschef teilnehmen. Man vermute organisierte Brandstiftung, so Petsas.

Unklar, wie es mit den Migranten weitergeht

Am frühen Morgen hatten sich Bereitschaftspolizisten rund um das Lager und entlang einer fünf Kilometer langen Route zu Mytilini postiert. Die Stadt ist das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum von Lesbos. Mit dem Vorgehen wollten die Einsatzkräfte offenbar verhindern, dass Migranten den Hafen von Mytilini erreichen. "Es ist eine sehr schwierige Situation, weil einige von jenen, die da draußen sind, positiv auf das Coronavirus getestet worden sind", so der Bürgermeister der Stadt im privaten Radiosender Skai.

Im griechischen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ERT sagte Kytelis, man wisse nicht, wo die Menschen nun untergebracht werden sollten, Tausende seien obdachlos. Auch für die Einheimischen sei die Situation eine enorme Belastung.

Verschiedene Angaben über Ursachen

Über die Ursachen der Brände gibt es unterschiedliche Angaben: Manche Lagerbewohner sprachen von Brandstiftung von Inselbewohnern. Anderen Berichten zufolge hatten Migranten selbst Feuer gelegt und danach die Feuerwehr bei den Löscharbeiten behindert. Einsatzkräfte bestätigten, dass einige Lagerbewohner "Widerstand" geleistet hätten. Laut ARD-Korrespondent Thomas Bormann berichten lokale Medien, dass es am Abend heftige Ausschreitungen im Lager gegeben habe, aus Protest gegen die Lockdown-Maßnahmen. Moria steht seit vergangener Woche unter Quarantäne, weil inzwischen mindestens 35 Migranten positiv auf das Coronavirus getestet wurden.

Flüchtlinge mit ihren Habseligkeiten nach einem Feuer in Moria

Flüchtlinge mit ihren Habseligkeiten nach dem Feuer in Moria - hier leben mehr als 12.000 Menschen. Unklar ist, wie es jetzt mit ihnen weiter geht.

Manche Migranten hätten das Lager verlassen wollen, um sich nicht mit dem Virus anzustecken, meldete die halbstaatliche griechische Nachrichtenagentur ANA-MPA. Einige Infizierte und ihre Kontaktpersonen, die isoliert werden sollten, hätten sich hingegen geweigert, das Lager zu verlassen und in Isolation gebracht zu werden.

Seit Jahren überfüllt

Das Flüchtlingslager Moria ist seit Jahren überfüllt. Derzeit leben dort nach Angaben des griechischen Migrationsministeriums rund 12.600 Flüchtlinge und Migranten - bei einer Kapazität von gerade mal 2800 Plätzen. Immer wieder gab es Proteste gegen die Zustände im Camp.

Fordungen nach rascher Hilfe von der EU

Die Verantwortung für die jüngste Eskalation sieht die Hilfsorganisation medico international bei der EU. "Man kann Menschen nicht jahrelang im Dreck leben lassen, ihnen Rechte vorenthalten, sie schließlich ungeschützt einer Pandemie aussetzen und dann überrascht sein, wenn sie gegen ihre Lebensbedingungen aufbegehren", so die Referentin für Flucht und Migration, Ramona Lenz. "Nach diesem verheerenden Brand darf Europa nicht länger die Augen verschließen und muss Moria und die anderen Lager auf den griechischen Inseln endlich evakuieren."

Ähnlich äußerte sich die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. "Es ist erbärmlich, dass die Bundesregierung nur 928 Schutzsuchende aufnehmen will. Für Tausende gibt es keine Lösung, obwohl Deutschland und andere EU-Staaten sie locker aufnehmen könnten", sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 09. September 2020 um 12:00 Uhr.