Kämpfe in Syrien Aufständische rücken offenbar auf Damaskus vor
Die islamistischen Aufständischen in Syrien nähern sich offenbar der Hauptstadt Damaskus. Regierungstruppen haben nach Angaben von Aktivisten bereits Posten in der Nähe der Hauptstadt verlassen. Die Armee bestreitet das.
Soldaten der syrischen Regierung von Machthaber Baschar al-Assad haben nach Angaben von Aktivisten Posten in der Nähe der Hauptstadt Damaskus verlassen. Die Regierungstruppen hätten sich aus dem Ort Artuz, etwa 15 Kilometer südwestlich von Damaskus, zurückgezogen, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (OSDH) mit.
Kurz darauf erklärten regierungsfeindliche Kämpfer nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP, sie hätten damit begonnen, Damaskus einzukreisen. Die Aufständischen hätten "mit der letzten Phase der Einkreisung der Hauptstadt Damaskus begonnen", sagte Hassan Abdel Ghani, ein Militärchef der islamistischen Allianz, die die Offensive im Nordwesten des Landes gestartet hatte.
Aufständische 20 Kilometer vor Damaskus
Zuvor hatten sowohl die Beobachtungsstelle als auch Vertreter der Aufständischen gemeldet, dass die regierungsfeindlichen Kämpfer inzwischen bis auf rund 20 Kilometer an Damaskus vorgerückt seien. Ghani sagte der Nachrichtenagentur AFP: "Unsere Kräfte konnten die Kontrolle über die Saasaa (Sicherheits-)Abteilung im Umland von Damaskus gewinnen. Der Vormarsch auf die Hauptstadt geht weiter."
Der Anführer der islamistischen Kämpfer der Miliz Hadschat Tahrir al-Scham (HTS) stellte seinen Männern nach Informationen der AFP derweil die Einnahme der Hauptstadt in Aussicht. "Damaskus wartet auf Euch", erklärte Abu Muhammad al-Dscholani in einer über den Messengerdienst Telegram verbreiteten Nachricht.
Syrisches Verteidigungsministerium dementiert Rückzug
Das syrische Verteidigungsministerium wies die Angaben zum Rückzug der Armee indes zurück. "Die Behauptung, dass sich unsere Streitkräfte, die in allen Gebieten im Umland von Damaskus präsent sind, zurückgezogen haben, ist nicht wahr", hieß es aus dem Ministerium laut AFP.
Die Syrische Beobachtungsstelle (OSDH) meldete derweil auch den Rückzug der Regierungstruppen aus der südlichen Provinz Kuneitra an der Grenze zu Israel. Sie sei "zum ersten Mal frei von der syrischen Armee", erklärte OSDH-Chef Rahman. Assads Truppen hätten "ihre militärischen und sicherheitspolitischen Stellungen geräumt", die Beamten hätten "ihre Posten verlassen".
Nach Angaben der OSDH stehen auch die Provinzen Suweida und Daraa mittlerweile fast vollständig unter der Kontrolle von lokalen Oppositionskräften. Die Armee der Regierung habe gestern die Kontrolle über die Provinzhauptstadt Daraa und insgesamt "mehr als 90 Prozent" der Provinz verloren.
Tausende fliehen aus Homs
Nahe der drittgrößten syrischen Stadt Homs, in deren Nähe die HTS und ihre Verbündeten gestern vorgerückt waren, wurden der Beobachtungsstelle zufolge mindestens sieben Menschen durch Beschuss von russischen und syrischen Kampfflugzeugen sowie durch Artilleriefeuer getötet.
Die Aufständischen konnten allerdings nach Angaben der Beobachtungsstelle bisher nicht weiter in Homs vorrücken. Es mangle womöglich an militärischer Ausrüstung oder Truppenstärke. Bisher ist nicht klar, ob die islamistischen Kämpfer über genügend Kämpfer verfügen, um Homs mit etwa 1,4 Millionen Einwohnern einzunehmen.
Gestern waren schon Tausende Menschen aus Homs geflohen, nachdem Aufständische verkündet hatten, dort an der Stadtgrenze angelangt zu sein. "Unsere Streitkräfte haben das letzte Dorf am Rande der Stadt Homs befreit und befinden sich nun auf deren Mauern", teilten sie auf Telegram mit.
Die Regierungstruppen seien bisher weiterhin im Umland von Homs stationiert, so die Beobachtungsstelle. Die Truppen seien massiv verstärkt worden und griffen von dort weiter Stellungen der Aufständischen an.
Soldaten fliehen in den Irak
Der Irak hat nach staatlichen Angaben mehr als 1.000 flüchtige Soldaten der syrischen Armee im eigenen Land aufgenommen. Die staatliche Nachrichtenagentur INA berichtete unter Berufung auf eine nicht näher genannte Sicherheitsquelle, dass die Soldaten die Einreise über den Grenzübergang Al-Kaim beantragt hätten. Die Soldaten seien aufgenommen worden. Ihnen sei die notwendige Verpflegung geboten worden.
Der katarische Nachrichtensender Al-Jazeera zitierte unterdessen einen Sprecher der irakischen Regierung, wonach schon 2.000 Soldaten mit voller Ausrüstung in den Irak gekommen seien.
Die Vereinten Nationen ziehen ihr nicht notwendiges Personal aus Syrien ab. Die UN würden aber nach Angaben eines Sprechers weiterhin ihre Dienste in dem Bürgerkriegsland bereitstellen, um das syrische Volk in dieser schwierigen Situation zu unterstützen.