Soldaten versuchen, das Gebäude der Nationalversammlung in Seoul zu betreten.

Machtkampf mit dem Parlament Südkoreas Präsident verhängt Kriegsrecht

Stand: 03.12.2024 20:11 Uhr

Staatskrise in Südkorea: Präsident Yoon hat überraschend das Kriegsrecht ausgerufen und Soldaten zum Parlament geschickt. Dieses lehnte das Kriegsrecht ab - sogar die Abgeordneten der Präsidentenpartei.

Südkoreas Staatschef Yoon Suk Yeol hat inmitten eines Streits über den Staatshaushalt das Kriegsrecht ausgerufen. Dies gab er in einer überraschenden Fernsehansprache bekannt.

In der Rede beschuldigte er die Opposition, mit Nordkorea zu sympathisieren und die Regierung durch staatsfeindliche Aktivitäten zu lähmen. Der ausgerufene Ausnahmezustand ziele darauf ab, "pro-nordkoreanische Kräfte auszulöschen und die verfassungsmäßige Ordnung der Freiheit zu schützen", sagte Yoon. Die Bevölkerung rief er dazu auf, ihm zu vertrauen und "einige Unannehmlichkeiten" in Kauf zu nehmen.

Demonstrationen vor dem Parlament

Generalstabschef Park An Su erklärte nach der Rede Yoons, dass "alle politischen Aktivitäten", einschließlich derjenigen der Nationalversammlung, der Gemeinderäte, der politischen Parteien und politischen Vereinigungen sowie Versammlungen und Demonstrationen, strengstens verboten seien. Alle Medien und Publikationen würden der Kontrolle des Kriegsrechtskommandos unterliegen.

Es war zunächst unklar, wie lange Yoons Ausnahmezustand Bestand haben sollte. Kurz nach seiner Ansprache versammelten sich mehrere Menschen vor dem Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Seoul. Einige riefen "Zieh das Kriegsrecht zurück", andere "Verhaftet Yoon Suk Yeol". Das Gebäude war zwischenzeitlich von Militärs blockiert worden. Später waren vor dem Gebäude keine Soldaten mehr zu sehen, sondern Bereitschaftspolizisten, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur dpa beobachtete.

Tereza Novotná, Politologin Freie Universität Berlin, zu Südkoreas verhängten Kriegsrecht und zur Forderung des Parlaments auf Aufhebung

tagesschau24, 03.12.2024 19:00 Uhr

Abgeordnete widersetzen sich

In Fernsehaufnahmen war zu sehen, wie Soldaten sich bemühten, in das Parlamentsgebäude vorzudringen. Mitarbeiter versuchten, sie aufzuhalten, unter anderem mit dem Versprühen von Feuerlöschern. 190 Abgeordnete gelangten später in der Nacht in das Parlamentsgebäude und votierten einstimmig für die Aufhebung des Kriegsrechts, wie Parlamentspräsident Woo Won Shik mitteilte.

Die südkoreanische Verfassung sieht vor, dass das Kriegsrecht aufgehoben wird, wenn eine Mehrheit im 300 Sitze fassenden Parlament dies verlangt. Das Militär erklärte einem Rundfunkbericht zufolge jedoch, es werde das Kriegsrecht solange aufrechterhalten, bis dies vom Präsidenten aufgehoben werde.

Kritik aus der eigenen Partei

Die Opposition hatte zuvor die Maßnahme den Staatschefs als Verstoß gegen die Verfassung kritisiert. Oppositionsführer Lee Jae Myung von der Demokratischen Partei (DP) bezeichnete das ausgerufene Kriegsrecht laut einem Yonhap-Bericht als "verfassungswidrig" und unbegründet.

Kritik kam auch aus Yoons Regierung selbst. Der Vorsitzende der regierenden konservativen Volksmacht-Partei (PPP), Han Dong Hoon, bezeichnete das Kriegsrecht laut lokalen Medienberichten als "falsch". Man werde es "gemeinsam mit dem Volk stoppen", sagte Han. 

Mehrere Niederlagen im Parlament

Yoon, der seit Monaten mit sinkenden Umfragewerten zu kämpfen hat, tut sich seit seinem Amtsantritt im Jahr 2022 schwer, seine Agenda gegen das von der Opposition kontrollierte Parlament durchzusetzen. Yoons PPP streitet mit der DP über ein Haushaltsgesetz für das kommende Jahr. Der zuständige Parlamentsausschuss billigte vergangene Woche eine deutlich abgespeckte Fassung des Haushaltsentwurfs.

Die Opposition bemühte sich zudem darum, drei Staatsanwälte des Amtes zu entheben. Die Konservativen bezeichneten dies als Rachefeldzug angesichts von Ermittlungen gegen DP-Chef Lee.

US-Regierung will Lage beobachten

Die US-Regierung erklärte, sie stehe wegen der aktuellen Ereignisse mit der Regierung in Seoul in Kontakt. Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates sagte, die US-Regierung beobachte "die Situation genau". Die USA sind der wichtigste militärische Verbündete Südkoreas und haben dort 28.500 Soldaten stationiert.

Thorsten Iffland, ARD Tokio, zzt. Seoul, tagesschau, 03.12.2024 16:07 Uhr