Bei der Einreise nach Syrien ist ein Banner mit der Aufschrift "Welcome to Syria" über der Straße zu sehen.
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Aufhebung der Syrien-Sanktionen Eine dringend notwendige Perspektive

Stand: 14.05.2025 19:43 Uhr

Dass Donald Trump die US-Sanktionen gegen Syrien aufhebt, kann zu mehr Stabilität im Nahen Osten führen - auch wenn der Schritt nicht ohne Risiko ist. Für viele Syrer wird so eine lebenswerte Zukunft erst möglich.

Ein Kommentar von Moritz Behrendt, ARD Kairo

Die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, die Syrien-Sanktionen aufzuheben, ist richtig und zukunftsweisend. Für Syrien und für die ganze Region. Ob diese Zukunft eine friedliche und gute für alle Syrerinnen und Syrer sein wird, das ist noch offen. Aber die Aufhebung der Sanktionen gibt dem Land eine dringend notwendige Perspektive, eine Chance, wie Donald Trump sagt.

Wer die Trümmerwüsten in den Vorstädten von Damaskus sieht, die Zerstörung in Aleppo und vielen anderen Orten, dem ist klar: Der Wiederaufbau wird Jahre dauern und sehr, sehr teuer werden. Gut, dass damit bald begonnen werden kann. Hunderttausende Vertriebene warten darauf, nach Jahren in Zelten endlich wieder in richtigen Wohnungen leben zu können.

Einwände greifen zu kurz

Auch die Erneuerung der Energieinfrastruktur ist überfällig. Wenn Haushalte nur drei, vier Stunden Strom am Tag haben, ist das für die Menschen dauerhaft eine Zumutung - für die Wirtschaft ist die Stromknappheit ebenfalls Gift.

Der Einwand, dass das Ende der Sanktionen die derzeit herrschenden Islamisten stärkt, ist berechtigt, greift aber zu kurz. Denn was wäre denn die Alternative? Dass die Misere der Syrer andauert? Das wäre eine bittere Bestätigung der Propaganda von Bashar al-Assad. Der hat immer behauptet, nur er könne Syrien vor dem Untergang bewahren - dabei war es Assad, der die Syrer gegeneinander aufgehetzt hat.

Der Iran wird zurückgedrängt

Die Aufhebung der Sanktionen wird wirtschaftliche, geopolitische und gesellschaftliche Auswirkungen haben. Als Großinvestoren werden Saudi-Arabien und die Türkei, vermutlich auch Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate Einfluss in Syrien gewinnen - der Iran wird zurückgedrängt. Das kann zu mehr Stabilität in der gesamten Region beitragen - eine gute Entwicklung.

Es gibt Anzeichen dafür, dass Syriens Übergangspräsident seine Geldgeber mit ihrem islamokapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell als Vorbild sieht. Ökonomisch kann das sinnvoll sein - gesellschaftlich wäre es gefährlich. Sowohl die reichen Golfstaaten als auch die Türkei stehen für eine sunnitische Vorherrschaft - in ihren Ländern und in der Region. Meinungsfreiheit, Menschenrechte und Minderheitenschutz werden dort klein geschrieben.

Syriens Bevölkerung ist diverser

Die Bevölkerung Syriens ist religiös und ethnisch deutlich diverser als die der Golfstaaten - das muss eine gerechte Staatsführung berücksichtigen. Ob Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa das kann und will, hat er allen Versprechen zum Trotz noch nicht bewiesen. Die Massaker an Alawiten und die Gewalt von Islamisten gegen Drusen wecken Zweifel, ob al-Scharaa und seine Islamisten geeignete Machthaber sind und Syrien in eine bessere Zukunft führen können.

Das macht die Aufhebung der Sanktionen nicht falsch. Ihr Ende macht für viele Syrer eine lebenswerte Zukunft erst möglich.

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