Flugzeugunglück in Kasachstan Viele Hinweise auf Fremdeinwirkung als Absturzursache
Zwar laufen die Ermittlungen zur Ursache des Flugzeugabsturzes in Kasachstan noch. Die aserbaidschanische Regierung und auch die Fluggesellschaft gehen inzwischen aber davon aus, dass die Maschine von außen beschädigt wurde.
Der Absturz eines Passagierflugzeugs über Kasachstan mit 67 Menschen an Bord ist wahrscheinlich auf äußere Gewalteinwirkung zurückzuführen. Zu dem Absturz sei es "durch physische und technische Einwirkungen von außen" gekommen, teilte der Betreiber der abgestürzten Maschine, die Fluglinie Azerbaijan Airlines, unter Berufung auf vorläufige Ermittlungsergebnisse mit.
Die aserbaidschanische Regierung sprach erstmals öffentlich von einem Waffeneinsatz gegen das Flugzeug. "Die Ermittlungen werden klären, mit welcher Art Waffe die Einwirkung von außen geschah", sagte Verkehrsminister Rashad Nabiyev nach Angaben der staatlichen aserbaidschanischen Nachrichtenagentur Azertag. Schäden am Wrack und Zeugenaussagen legten nahe, dass das Flugzeug von außen beschädigt worden sei. Dies sei über dem ursprünglichen Zielflughafen Grosny geschehen. "Demnach gab es ein Explosionsgeräusch außen, und dann wurde das Flugzeug von etwas getroffen."
Beim Landeversuch war die Maschine vom Typ Embraer 190 am Mittwoch in der Nähe der kasachischen Stadt Aktau an der Küste des Kaspischen Meeres abgestürzt. 38 Menschen an Bord wurden getötet, es gab 29 Überlebende, unter ihnen zwei Menschen aus Deutschland. Fotos des Heckteils der Unglücksmaschine zeigen Schäden, die den Einschlaglöchern von Schrapnell aus Flugabwehrwaffen ähneln.
Das Flugzeug war im aserbaidschanischen Baku gestartet und sollte nach Grosny in der russischen Kaukasusrepublik Tschetschenien fliegen. Die russische Flugabwehr soll an diesem Morgen in mehreren Teilen des Nordkaukasus im Einsatz gewesen sein, um mögliche ukrainische Drohnenangriffe abzuwehren.
Russischer Beschuss als Ursache vermutet
Immer mehr Stimmen vermuten daher, dass russischer Beschuss zu dem Unglück geführt haben könnte. Unter anderem zitierten die Sender CNN und ABC News einen Vertreter der US-Regierung, der einen Fehlschuss der russischen Flugabwehr als Ursache nicht ausschloss. Es gebe erste Hinweise, die darauf deuteten. Sollten sich diese bestätigen, sei denkbar, dass schlecht ausgebildete russische Einheiten bei der Abwehr ukrainischer Drohnen das Ziel verwechselt hätten.
Zuvor hatte auch der russische Blogger und Militärexperte Juri Podoljaka im Onlinedienst Telegram spekuliert, die Löcher ähnelten den Schäden, die durch ein "Flugabwehrraketensystem" verursacht würden. Ebenso sprach Bernard Legauffre, ehemaliger Experte der französischen Ermittlungs- und Analysebehörde für die Sicherheit der zivilen Luftfahrt (BEA), von vielen Schrapnell-Splittern am Wrack.
Auch in aserbaidschanischen Medien wurde über russischen Beschuss als mögliche Absturzursache berichtet. So hieß es, das Flugzeug sei ersten Ermittlungen zufolge beim Anflug auf Grosny von einer Rakete eines "Pantsir-S"-Systems getroffen worden.
Blackbox soll Ursache klären
Das Internetportal caliber.az berichtete zudem, die Piloten hätten auf den Grosny nahegelegenen Flughäfen Minera lnye Wody oder Machatschkala notlanden wollen. Dies sei jedoch nicht genehmigt worden, so dass die Crew das beschädigte Flugzeug nach Aktau gesteuert habe.
Um die Ursache zu klären, setzen die Ermittler nun vor allem auf die Daten der sogenannten Blackbox. Bergungstrupps hatten die Flugschreiber am Donnerstagabend aus den Trümmern der Maschine bergen können.
Russlands Luftfahrtbehörde verweist auf Drohnenangriff
Die russische Regierung reagiert bisher zurückhaltend auf die Hinweise, das Flugzeug sei abgeschossen worden. Die Untersuchung müsse abgewartet werden, um zu verstehen, was passiert sei, hieß es lediglich.
Der Chef der russischen Luftfahrtbehörde Rosawiazija, Dmitri Jadrow, sagte, die Situation im Bereich des Flughafens von Grosny sei sehr kompliziert gewesen. Ukrainische Kampfdrohnen hätten zu diesem Zeitpunkt Angriffe in den Gebieten Grosny und Wladikawkas geflogen. Wegen der Gefahr durch die Drohnen seien keine Starts und Landungen in Grosny erlaubt gewesen, alle Piloten hätten zum Zeitpunkt des Alarms den Luftraum verlassen müssen.
Es war das erste Mal, dass eine offizielle russische Stelle einen zeitlichen Zusammenhang zwischen einem Drohnenalarm und dem Absturz herstellte. Auf russischer Seite leitet Rosawiazija die Ermittlungen.
Jadrow äußerte sich nicht dazu, ob die Maschine womöglich durch eine ukrainische Drohne oder den Einsatz einer russischen Flugabwehrrakete beschädigt wurde und dann abstürzte. Er sagte auch, dass in Grosny zu der Zeit dichter Nebel herrschte. Der Pilot der Maschine habe zwei Landeversuche unternommen - ohne Erfolg. Er sei dann Richtung Kasachstan abgedreht.
Flüge in mehrere russische Städte ausgesetzt
Azerbaijan Airlines setzte den Flugverkehr in mehrere russische Städte aus. Es gelte, potenzielle Risiken für die Flugsicherheit zu berücksichtigen, hieß es. Die Flughäfen in Moskau, St. Petersburg, Kasan, Astrachan, Jekaterinburg und Nowosibirsk sollen hingegen weiter angesteuert werden.
Die kasachische Airline Qazaq Air teilte mit, dass sie Flüge von Astana ins russische Jekaterinburg für einen Monat nicht anbieten werde. Die Fluglinie Flydubai strich nach eigenen Angaben Flüge aus Dubai zu zwei Destinationen im Süden Russlands.
Am Donnerstag hatte bereits die israelische Fluggesellschaft El Al unter Verweis auf "Entwicklungen im russischen Luftraum" erklärt, dass Verbindungen von Tel Aviv nach Moskau ausgesetzt würden. Russland wiederum sperrte den Luftraum im Süden des Landes. Eine Maschine der Azerbaijan Airlines auf dem Weg in die südrussische Stadt Mineralnie sei daher nach Baku zurückgekehrt, berichtete die russische Nachrichtenagentur Tass.