Nach Chaos bei Geiselübergabe Israel hebt Stopp von Häftlingsfreilassung auf
Kurz schien es, als könnte der Geisel-Deal mit der Hamas platzen. Nun geht es doch weiter. 110 palästinensische Häftlinge sollen freigelassen werden. Zuvor waren acht verschleppte Geiseln im Gazastreifen freigekommen.
Nach den chaotischen Szenen bei der Übergabe von Geiseln im Gazastreifen haben Unterhändler laut Israel einen sicheren Ablauf bei künftigen Freilassungen zugesagt. Den aus Israel verschleppten Menschen werde ein sicheres Verlassen des Palästinensergebiets garantiert, teilte das Büro des israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu mit. "Israel besteht darauf, dass Lehren gezogen werden und bei künftigen Übergaben stärker darauf geachtet wird, dass die Geiseln sicher zurückkehren können", hieß es weiter.
Israelischen Medienberichten zufolge sollten die Palästinenser noch im Laufe des Tages entlassen werden.
"Weiterer Beweis für die unvorstellbare Grausamkeit"
Netanjahu und Verteidigungsminister Israel Katz hatten zuvor die Entlassung von mehr als 100 palästinensischen Häftlingen gestoppt. Sie sollten im Rahmen des Waffenruhe-Abkommens im Gegenzug zur den acht freigelassenen Geiseln freikommen.
Grund für den Stopp waren die Umstände unter denen die Geisel-Übergabe stattgefunden hatte. Israels Regierungschef Netanjahu sprach von "schockierenden Szenen", die ein "weiterer Beweis für die unvorstellbare Grausamkeit der terroristischen Hamas" seien. Der israelische Präsident Izchak Herzog kritisierte "Szenen der Misshandlung und des Terrors". Dennoch rühre die Rückkehr der insgesamt acht Geiseln aus der Gefangenschaft zu Tränen, so Herzog.
Bei den freigelassenen Geiseln handelte es sich um die israelische Soldatin Agam Berger, die Deutsch-Israelis Arbel Yehud und Gadi Moses sowie die fünf thailändischen Arbeiter Pongsak Thenna, Sathian Suwannakham, Watchara Sriaoun, Bannawat Seathao and Surasak Lamnau. Sie waren an zwei verschiedenen Orten im Gazastreifen in einer Art Zeremonie von islamistischen Kämpfern an das Rote Kreuz übergeben worden.
Chaotische Szenen bei Übergabe
Die Übergabe von Moses und Yehud in Chan Yunis im Süden des Gazastreifens war von den Islamisten als Machtdemonstration inszeniert worden: Es herrschte dichtes Gedränge. Von Kopf bis Fuß schwarz gekleidete und maskierte Islamisten mit Waffen brachten die Geiseln durch eine schreiende und drängelnde Menschenmenge zu den Rot-Kreuz-Fahrzeugen. Aus der Menge waren Schmährufe zu hören. Durch den Tumult verzögerte sich auch die Abfahrt der Fahrzeuge. Die Übergabe fand neben dem zerstörten Haus des im Oktober getöteten Hamas-Chefs Jihia Al-Sinwar statt.
Die Soldatin Berger war am Morgen als erste der acht Geiseln in Dschabalija im Norden des Gazastreifens freigelassen worden. Sie wurde von vermummten Hamas-Kämpfern durch die Menge auf eine Bühne geführt und aufgefordert, den schreienden Menschen zuzuwinken, was sie zögernd tat, während sie von einem Hamas-Kämpfer gefilmt wurde.
Die israelische Soldatin Agam Berger bei ihrer Freilassung in Dschabalija.
Baerbock äußert sich erleichtert
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) äußerte sich erleichtert über die Freilassung von Moses und Yehud. Sie habe bei ihren Besuchen vor Ort "immer wieder gebangt, geweint, gehofft", schrieb Baerbock im Onlinedienst Bluesky. Es sei "ein Segen, dass sie endlich wieder in den Armen ihrer Familien liegen können". Auch sie kritisierte, dass die Geiseln bis "zuletzt von der Hamas gepeinigt" worden seien.
Drei weitere israelische Geiseln sollen nach aktuellem Stand am Samstag freigelassen werden. Nach israelischen Angaben befinden sich noch etwa 80 Geiseln in der Hand von islamistischen Gruppen im Gazastreifen.
110 Palästinenser sollen freigelassen werden
110 palästinensische Häftlinge sollen nun für die drei israelischen Geiseln ausgetauscht werden. Mehr als 30 von ihnen wurden nach israelischen Medienberichten zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Demnach ist unter ihnen auch Sakaria Subeidi, der während des zweiten Palästinenseraufstands Intifada Befehlshaber des militärischen Arms der Fatah-Bewegung in Dschenin im nördlichen Westjordanland war. Dabei wurden zwischen 2000 und 2005 rund 3.500 Palästinenser getötet, mehr als 1.000 Israelis kamen bei Anschlägen von Palästinensern ums Leben.
Freikommen sollte den Medien zufolge zudem Mahmud Atallah, der eine lebenslange Haftstrafe plus 15 Jahre für die Ermordung einer Palästinenserin verbüßt, die der Kollaboration mit Israel beschuldigt wurde. Wann die Häftlinge nun freigelassen werden, war zunächst unklar.