Krieg in Nahost Fünf Geiseln tot aus Tunnelsystem geborgen
Israels Militär meldet, dass die Leichen von fünf verschleppten Geiseln in Tunneln im Gazastreifen gefunden worden seien. Die Terrororganisation Hamas wirft Israel vor, beim Angriff auf ein Flüchtlingslager 70 Zivilisten getötet zu haben.
Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben die Leichen von fünf Geiseln aus einem Tunnelnetzwerk im nördlichen Gazastreifen geborgen. Die Armee teilte mit, dass die sterblichen Überreste von drei Soldaten und zwei Zivilisten, die am 7. Oktober aus Israel verschleppt worden seien, in einem sehr weitreichenden und tiefen Tunnelsystem im Bereich des Flüchtlingsviertels Dschabalia gefunden worden seien. Die in zwei Ebenen angelegten Tunnel dienten demnach der Terrororganisation Hamas als Kommandozentrale.
In ihrer Mitteilung ließ die israelische Armee offen, wie die Geiseln gestorben sind. Militärsprecher Daniel Hagari verwies darauf, dass die Obduktionen noch ausstünden. Die militant-islamistische Hamas hatte vor kurzem erklärt, dass einige Geiseln bei israelischen Angriffen auf Ziele im Gazastreifen getötet worden sein. Es wurde allerdings auch mit Hinrichtungen von Geiseln gedroht.
Die Zeitung "Jerusalem Post" berichtete, dass zwei der Leichen bereits vor zwei Wochen gefunden worden seien und die anderen drei einige Tage später. Die Armee veröffentlichte im Zusammenhang mit der Bekanntgabe des Leichenfunds Aufnahmen eines weiß gefliesten Badezimmers mit einfacher Dusche, Toilette und Waschbecken sowie einen Arbeitsraum mit Ecktisch und Bank. Beide Räume sind durch dunkle Gänge verbunden. In der Vorwoche hatte die Hamas ihrerseits ein Video veröffentlicht, das drei der Geiseln lebend in einem schmalen, weiß gefliesten, fensterlosen Schlafzimmer zeigte. Die in den beiden Videos gezeigten Räume stimmten nicht überein.
Hamas operiert laut Bericht nun mit Guerilla-Zellen
In Tunneln wie dem in den Aufnahmen gezeigten verstecken sich Israel zufolge etliche Hamas-Terroristen und halten dort auch noch weitere Geiseln fest. Sie nutzen die unterirdischen Wege demnach zugleich, um aus dem Nichts aufzutauchen und anzugreifen.
Die Hamas greife dabei inzwischen mit Zellen aus nur noch zwei bis fünf Kämpfern an, bevor diese wieder in die Tunnel abtauchten, berichtete unterdessen das "Wall Street Journal" unter Berufung auf einen ranghohen israelischen Offizier. Die Terroristen operierten dabei auch aus zivilen Zufluchtsorten heraus und benutzten Frauen und Kinder, um Informationen zu sammeln und Waffen zu transportieren, hieß es. Die Hamas lagere Waffen zudem in Hunderten leer stehenden Häusern. Dies ermögliche es ihren Kämpfern, sich frei zu bewegen, sich als Zivilisten auszugeben und sich Waffen im letzten Moment vor einem Angriff zu greifen.
Hamas spricht von 70 Toten in Flüchtlingslager
Die israelische Armee setzte unterdessen ihre Angriffe auf Ziele im Gazastreifen auch an den Weihnachtstagen fort. Das von der militant-islamistischen Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium im Gazastreifen erklärte, in der Nacht auf Montag seien bei einem Angriff auf das Dorf Al-Sawaida im Zentrum des Palästinensergebiets zwölf Menschen getötet worden. Mindestens 18 Menschen seien bei einem Angriff auf die Stadt Chan Yunis im Süden des Gazastreifens getötet worden. Die Angaben lassen sich von unabhängiger Seite nicht überprüfen.
Bereits am Abend hatte das Gesundheitsministerium erklärt, dass bei einem israelischen Luftangriff auf das Flüchtlingslager Al-Maghasi im Zentrum des Gazastreifens mindestens 70 Menschen getötet worden seien. Der Angriff habe mehrere Häuser des Lagers zerstört, in denen zahlreiche Familien gelebt hätten. Die Hamas sprach von einem "schrecklichen Massaker" und "weiteren Kriegsverbrechen" Israels. Die israelische Armee erklärte, sie prüfe den Bericht über den Vorfall in Maghasi und bemühe sich, den Schaden für die Zivilbevölkerung so gering wie möglich zu halten. Der palästinensische Rettungsdienst Roter Halbmond veröffentlichte Bilder von Verletzten, die in Krankenhäuser gebracht wurden. Israel hat wiederholt erklärt, nur die Hamas, nicht aber Zivilisten ins Visier zu nehmen.
Bilder zeigen abgedeckte Todesopfer nach israelischen Luftangriffen im Gazastreifen.
Israel: Bisher 7.860 Terroristen getötet
Das israelische Militär hat nach eigenen Schätzungen seit Kriegsbeginn etwa 7.860 Terroristen getötet. Ein Armeesprecher bestätigte gestern entsprechende Medienberichte. Sollte die Schätzung zutreffen, entspräche die Zahl der getöteten Terroristen knapp 40 Prozent der bisher vom Gesundheitsministerium im Gazastreifen angegebenen Zahl von mehr als 20.400 Todesopfern. Die Angaben beider Seiten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Auslöser des Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der islamistischen Hamas sowie anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt hatten. Mehr als 1.200 Menschen wurden dabei getötet. Mehr als 240 Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel begann daraufhin mit massiven Luftangriffen und seit Ende Oktober mit einer Bodenoffensive in dem abgeriegelten Küstengebiet. Seit Beginn der Bodenoffensive im Gazastreifen starben laut aktuellen Militärangaben 156 israelische Soldaten.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu bekräftigte, dass sein Land den Krieg gegen die Hamas so lange fortsetzen werde, bis alle Ziele erreicht und die Hamas "eliminiert" sei. Er räumte gleichzeitig ein, dass der Krieg einen "sehr hohen Preis" fordere.