Baerbock in Israel Außenpolitik aus einem Guss?
Außenministerin Baerbock ist erneut nach Israel gereist - an einen der zahlreichen internationalen Brennpunkte derzeit. Doch wie sehr zieht die Bundesregierung in der Außenpolitik an einem Strang?
Noch vor einem Jahr sah die Rollenverteilung in der Außenpolitik oft so aus: Hier der Bundeskanzler, scholzig-zögernd, manchmal schweigend. Und dort die Außenministerin, die Klartext redet, sich dabei manchmal zu weit aus dem Fenster lehnt - was auch den eigenen Kanzler immer wieder verstimmt.
Inzwischen wirkt es anders: Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) halten Kurs, gemeinsam und offensichtlich besser abgestimmt. Gerade in der Nahost-Politik. Wenn die Außenministerin - wie in Jerusalem - die Linie der Bundesregierung vertritt: "Es gibt hier kein entweder oder, sondern nur ein sowohl als auch. Die Sicherheit der Menschen in Israel vor dem Terror der Hamas ist ebenso wichtig wie das Überleben der Palästinenserinnen und Palästinenser. Beides gehört zusammen."
Sorge vor "humanitärer Katastrophe mit Ansage" in Rafah
Zum fünften Mal seit dem Terror-Angriff der Hamas ist Annalena Baerbock schon in Israel. Es ist jedes Mal ein Balance-Akt im Zeichen der deutschen Staatsräson: Einerseits betont Baerbock dann Israels Recht, sich gegen die Hamas zu verteidigen. Und gleichzeitig mahnt Baerbock Israel immer eindringlicher, das Völkerrecht zu achten und die Menschen in Gaza zu schützen - vor allem in Rafah, im Süden des Gazastreifens. Mehr als eine Million geflüchtete Palästinenser wissen dort nicht wohin. "Sollte die israelische Armee unter diesen Bedingungen eine Offensive auf Rafah starten, wäre dies eine humanitäre Katastrophe mit Ansage", fürchtet Baerbock. "Die Menschen benötigen sichere Orte und sichere Korridore, um nicht noch weiter ins Kreuzfeuer zu geraten."
Angesichts der immensen Sorgen haben die Außenministerin und der Kanzler eine gemeinsame Sprache gefunden. Ganz ähnlich klang Olaf Scholz vergangene Woche bei seinem Besuch in Washington, als er von der israelischen Regierung verlangte: "Das bedeutet erst mal jetzt in diesem Krieg, dass die Kriegsführung den eigenen Maßstäben entsprechen muss, dass humanitäre Hilfe nach Gaza gelangen muss in viel größerem Ausmaß als das heute der Fall ist."
Scholz und Baerbock wirken abgestimmter
Ob beim USA-Besuch des Kanzlers oder jetzt auf der Israel-Reise der Außenministerin: In den Köpfen reisen bei beiden immer auch die anderen großen Fragen des Jahres mit: Was, wenn Donald Trump wieder US-Präsident wird? Was, wenn sich die Ukraine dem russischen Angriffskrieg bald nicht mehr entgegen stemmen kann?
Auch bei diesen Themen stimmen sich Scholz und Baerbock inzwischen offenbar enger ab: Wenn sie sich um mehr Kontakte in die USA bemühen, um im Fall eines Trump-Comebacks besser vorbereitet zu sein. Oder wenn sie beide mehr Unterstützung für die Ukraine einfordern - inzwischen ohne öffentlichen Dissens.
Ukraine, Trump, Nahost - während die Welt von einer Krise in die nächste zu rutschen scheint, ziehen zumindest der Bundeskanzler und die Außenministerin jetzt mehr an einem Strang. Ob deutsche Außenpolitik deshalb auch mehr erreicht, das steht aber noch auf einem anderen Blatt.