Anhörung im US-Kongress Kein leichter Stand für TikTok
Für TikTok-Chef Chew geht es um die Existenz seiner Firma in den USA. Entsprechend bemühte er sich im US-Kongress, Sorgen über chinesische Spionage und Einflussnahme zu zerstreuen - und traf parteiübergreifend auf scharfen Gegenwind.
So etwas kommt nur selten vor im politischen Washington: Dass sich ein Zeuge, der vor dem US-Kongress in kniffeligen Fragen "gegrillt" werden soll, vorab mit einer Videobotschaft an die Öffentlichkeit wendet. Aber Shou Zi Chew ist nicht irgendein Topmanager, sondern Chef der Videoplattform TikTok - und er versucht, ein Komplettverbot der vor allem bei Jugendlichen beliebten Kurzvideo-Plattform in den USA abzuwenden.
Er sei mit Neuigkeiten im Gepäck nach Washington gekommen, so Chew. Unmittelbar vor Sitzungsbeginn gab er vier Versprechen ab: unter anderem, dass seine Firma Daten aus den USA durch eine neue Firewall vor unerwünschtem Zugriff aus dem Ausland schützen werde. Und dass TikTok eine Plattform für freie Rede bleibe, ohne dass irgendeine Regierung irgendwie Einfluss nehmen könne.
Diese Zusagen zeigen, dass der CEO, der aus Singapur angereist ist, die Stoßrichtung der Befragung wegen möglicher Datenspionage richtig eingeschätzt hatte.
Kein warmer Empfang für Chew
Die Vorsitzende des Handelsausschusses, Cathy McMorris Rodgers, empfing Chew mit den Worten: "Herr Chew, Sie sind hier, weil das amerikanische Volk die Wahrheit über die Bedrohung wissen muss, die TikTok für unsere nationale und persönliche Sicherheit darstellt. TikTok hat wiederholt einen Weg für mehr Kontrolle, mehr Überwachung und mehr Manipulation gewählt."
Rodgers‘ Kollege von demokratischer Seite, der Abgeordnete Frank Pallone aus New Jersey, wurde zu Sitzungsbeginn ähnlich deutlich: Die kommunistische Regierung Chinas könne Firmen mit Sitz in Peking wie TikTok zwingen, Daten mit Peking zu teilen, behauptete Pallone. Eine Anspielung darauf, dass die Video-App dem chinesischen Unternehmen ByteDance gehört.
"Sie werden weiterhin Daten sammeln, Sie werden weiterhin Daten verkaufen und Sie werden weiterhin unter der Ägide der Kommunistischen Partei stehen", so Pallone. Wegen einer möglichen Weitergabe von Nutzerdaten haben inzwischen zahlreiche Staaten TikTok von Diensthandys verbannt.
Chew: Keine Manipulation durch die chinesische Regierung
Chew versuchte, den Spionageverdacht zu entkräften: "Wir fördern oder entfernen keine Inhalte auf Verlangen der chinesischen Regierung", betonte Chew. "Wir verpflichten uns gegenüber diesem Ausschuss und allen unseren Nutzern, dass wir TikTok frei von jeglicher Manipulation durch eine Regierung halten." TikTok sei auf dem chinesischen Markt nicht verfügbar. Die Firmenzentralen lägen in den USA und in Singapur.
Für TikTok habe die Sicherheit seiner jungen Nutzerinnen und Benutzer höchste Priorität, so Chew. Er wies Vorwürfe zurück, die Plattform sei eine Gefahr für die nationale Sicherheit der USA. Daten amerikanischer Nutzer würden auf Servern des US-Konzerns Oracle gespeichert und gewartet.
Im Kongress unterstützen 20 Abgeordnete und Senatoren eine parteiübergreifende Initiative, die der Regierung die Möglichkeit geben soll, ausländische Technologie zu verbieten, wenn diese die nationale Sicherheit gefährdet. Damit könnte eine hohe Hürde für das TikTok-Verbot aus dem Weg geräumt werden, an der der ehemalige US-Präsident Donald Trump 2020 gescheitert war.
Gefährlicher Präzedenzfall?
Gerichte hatten den per Dekret verordneten Bann gekippt, weil er das Recht auf freie Meinungsäußerung beschneide. Experten zufolge muss allerdings auch bei einem neuen Gesetz mit Klagen gerechnet werden. "Die Beschränkung des Zugangs zu einer Plattform, die täglich von Millionen von Amerikanern genutzt wird, wäre ein gefährlicher Präzedenzfall für die Regulierung unserer digitalen Öffentlichkeit im Allgemeinen", warnte Jameel Jaffer, Chef des Knight First Amendment Institute der Columbia Universität, das sich dem Schutz der Meinungsfreiheit verschrieben hat.
Auch unter demokratischen Kongressabgeordneten gibt es Verbotskritiker. Einige von ihnen schlossen sich am Mittwoch einer Demonstration von TikTok-Influencern an. Experten zufolge würde ein Verbot der App der Demokratischen Partei schaden, weil sie darüber junge Wähler erreicht.
Auch die tagesschau betreibt einen Account auf TikTok und bietet dort einer sehr jungen Community aktuelle Nachrichten und Hintergründe an. Dabei behandelt die Redaktion immer wieder auch gezielt die Kritik an TikTok und setzt sich mit ihren Inhalten gegen die Verbreitung von Desinformationen auf der Plattform ein.