Nach Zuma-Inhaftierung Gewalt und Plünderungen in Südafrika
In Südafrika sind Proteste gegen die Inhaftierung von Ex-Präsident Zuma in schwere Gewalt umgeschlagen. Es gibt mehr als 30 Tote und viele Verletzte, brennende Einkaufszentren und blockierte Autobahnen.
In zwei Provinzen Südafrikas, im östlichen Kwazulu-Natal und dem nordöstlichen Gauteng, sind politische Proteste in Unruhen umgeschlagen.
Läden geplündert, Autobahnen blockiert, Fabriken in Flammen - schockierende Szenen spielten sich ab. Menschenmassen kamen in Einkaufszentren, zu Fuß und mit ihren Autos, und nahmen sich einfach, was sie wollten - völlig unbedrängt. In einem Reifenlager in Durban etwa haben Plünderer auch noch gefilmt, wie sie Kompletträder und Autofelgen aus den Regalen nahmen.
Machtlose Polizei
Sicherheitskräfte und Polizisten waren machtlos, schon allein, weil sie gnadenlos in der Unterzahl waren. Vor laufenden Kameras live im Fernsehen hatten Menschen die Hände voll mit nagelneuen Produkten.
Eine Reporterin berichtete aus Soweto: "Das sind so viele Leute, die kommen her und nehmen mit, was sie tragen können. Wir haben Leute mit Lebensmitteln gesehen oder mit Alkohol. Die Menschen öffnen jeden Laden, gehen rein, hier sehen wir jemandem mit einem Flachbildfernseher. Aus dem Supermarkt kommen Leute mit Decken und allen möglichen Sachen, Kühlschränke sogar. Einige kommen scheinbar immer wieder."
Viele Einkaufszentren schlossen ihre Tore am vorsorglich, Läden verbarrikadierten förmlich ihre Schaufenster, und Nachbarn warnten sich gegenseitig davor, in die Stadtzentren zu gehen.
Imtiaz Syad aus Durban beschreibt, wie er den Tag wahrnahm. Er ist bei einem Bürgerforum engagiert. "Die Polizei ist definitiv überfordert. Sie konnte uns nicht sagen, wie es weitergeht. In der Innenstadt sind es Studierende, die in den Wohnheimen leben. Sie plündern Bekleidungs- und Schuhgeschäfte", so Syad. "Dort, wo es Armensiedlungen gibt, da bedienen sich die Leute in Lebensmittel- und Spirituosenläden, und im Zentrum wurden auch ein paar Möbelgeschäfte geplündert."
Präsident richtet Ansprache ans Volk
Präsident Cyril Ramaphosa betonte in einer Fernsehansprache, Ruhe, Gesetz und Ordnung müssten schnell wieder hergestellt werden. "Der Weg von Gewalt, Plünderei und Anarchie führt nur zu mehr Gewalt, Verwüstung und Leid, zumindest aber zu mehr Armut, mehr Arbeitslosigkeit und dem Verlust von noch mehr unschuldigen Leben. So sind wir Südafrikaner doch nicht, so sind wir nicht", so Ramaphosa.
Angefangen hatte alles mit Protesten gegen die Inhaftierung des früheren Präsidenten Jacob Zuma. Er war wegen Missachtung des Gerichts verurteilt worden, am vergangenen Mittwoch begann er seine 15-monatige Haftstrafe.
Die politischen Proteste dagegen waren schnell gewaltsam geworden. Bei Straßenschlachten mit der Polizei starben bislang mindestens 32 Menschen, viele wurden verletzt. Mehr als 750 Menschen wurden festgenommen. Am Wochenende hatte sich der Protest in Plünderungen gewandelt. Bis in die Nacht hinein herrschte im Grunde Selbstbedienung.
Bonke Dumisa ist Wirtschaftswissenschaftler und warnt vor dem Schaden für Südafrika. "Die politische Tarnung sollten wir mal vergessen und uns der Realität stellen. Das ist kriminell, nur so kann man es angehen. Wir sprechen hier über einen Schaden, der Milliarden von Rand umfasst. Das geht doch nach hinten los. Die Regierung wird jetzt so viel Geld ausgeben müssen, das eigentlich für Grundbedürfnisse bestimmt war."
Debatte um Grundbedürfnisse
Grundbedürfnisse - das ist das Stichwort für David Neves. Er ist Wissenschaftler am Institut für Armuts-, Land- und Agrarforschung. Aus seiner Sicht sind die Proteste und Plünderungen ein Wink mit dem Zaunpfahl: "Es ist gut, darüber nachzudenken, was man schnell tun kann, um armen und verärgerten Südafrikanern zu helfen. Wir brauchen aber immer noch eine Debatte über die Struktur und die Entwicklung der südafrikanischen Ökonomie - und darüber, wie ein ganzer Teil der Bevölkerung, vor allem die schwarzen Afrikaner, von der Wirtschaft ausgeschlossen ist", so Neves. "Ich glaube, wir haben hier viel größere Fragen zu beantworten."
In Südafrika gibt es tiefe Gräben zwischen Arm und Reich, der Hunger hat wegen der Corona-Pandemie noch zugenommen, und Beobachter bezeichnen die Ereignisse als zutiefst beunruhigend. Die Übergriffe waren nicht landesweit und nicht überall. Und doch klingen Stabilität und Normalität anders als wenn Sicherheitskräfte in einem leergeräumten Einkaufszentrum in Germiston östlich von Johannesburg auf Scherben treten, auf Dekorationsartikel und zerbrochene Werbeschilder, die überall verstreut liegen.